Traum und Alptraum zugleich
Von
Walter Hämmerle
Walter
Hämmerle
Wir Menschen sind Mängelwesen. Leider nicht nur
in moralischer Hinsicht, sondern auch mit
Blick auf unsere körperliche Hinfälligkeit. Letztere so weit wie irgend möglich
hinauszuzögern, ist das große Versprechen der menschlichen Genforschung. Deren Möglichkeiten, die mit jedem einzelnen Forschungserfolg größer werden, rütteln an unserem Bild vom
Menschen und seiner Würde.
Und das Klonen von Menschen
bleibt Traum und Alptraum zugleich.
Dabei sollte man sich über die Wirksamkeit
einer rigiden Gesetzgebung keinen Illusionen hingeben: In Österreich und Deutschland bestimmt
die gemeinsame nationalsozialistische
Vergangenheit, in der auch die Wissenschaft die Menschenwürde mit Füßen getreten hat, die Grenzen des Akzeptierten: Das Klonen menschlicher Zellen ist hier
verboten.
Andere Länder stellen die Möglichkeiten dieser Technologie in den Vordergrund. Rückenmarksverletzungen,
multiple Sklerose oder
Parkinson könnten mit ihrer Hilfe dereinst
geheilt werden. Ein ungeheurer Traum für Millionen.
Eine solche Zukunft in Möglichkeitsform lässt sich nicht
per Gesetz verbieten. Und wohl auch nicht
per moralischem Tabu. Nicht alle Kulturen
betrachten es als Sündenfall, dass Adam von Eva verführt wurde, vom Apfel
der Erkenntnis zu kosten. Unstillbare
Neugier hat uns Menschen zweifellos immerzu neue Horizonte eröffnet. Hinter manchen hat sich ein Abgrund
aufgetan, andere wiederum erwiesen sich als Sackgasse,
der große Rest jedoch schuf die Pyramide an ungeheurem Wissen, von dem wir heute zehren.
Auf
Verboten zu beharren, ist demnach - und nach Kenntnis der
menschlichen Natur - nicht wirklich eine realistische und sinnvolle Reaktion auf die großen Versprechungen der Genforschung. Ziel muss es sein,
den Traum von der Heilung bislang unheilbarer Krankheiten zu leben und den Alptraum des Menschenklonens in
die Schranken zu weisen.
Für die Politik bedeutet das, den rechtlichen Rahmen für diese
moralisch prekäre Forschung flexibel zu halten. Es ist
das Privileg moralischer Institutionen wie der Kirchen, sich
auf die Gefahren zu konzentrieren und ethische Prinzipien zur Leitlinie ihres Handelns zu erklären.
Politik darf dagegen nicht die Augen vor den Möglichkeiten
verschließen. Mit gesunder Skepsis und im Wissen, dass
unsere Neugier uns auch in den Abgrund führen kann.