Anschlag reißt alte Wunden auf
Sind die Verdächtigen schuldig, herrscht wieder Angst vor Islamisten.
(aum) Sollten die Brüder Tsarnaev tatsächlich hinter dem Anschlag auf den Bostoner Marathon stecken, so wären sie Terroristen im buchstäblichen Sinn: Sie hätten die Bevölkerung mit einer Gewaltaktion verängstigt und eingeschüchtert und das Land so (politisch) destabilisiert.
Die anfängliche Annahme, ein amerikanischer Psychopath könnte hinter dem Anschlag stecken, war unorthodox, aber leichter verdaulich. Ein Unglück auf einen Verrückten, einen Ausreißer zu schieben, hat etwas Beruhigenderes, verbreitet nicht diese nachhaltige Angst.
Sind aber die beiden Tschetschenen verantwortlich, wäre es wieder so, dass ein Feind mit einer politischen Agenda von außen die Amerikaner auf ihrem eigenen Grund und Boden angreift. Das wäre ein schwerer Rückschlag für das Sicherheitsgefühl der Amerikaner, die sich nach fast 12 Jahren nur langsam von 9/11 erholt haben.
Noch dazu erhielte im Fall von Dzhokhar Tsarnaev das Ganze einen islamistischen Touch. Begutachtet man seine Einträge im Internet, so merkt man schnell, dass ihm zwei Sachen besonders am Herzen gelegen sind: Tschetschenien und der Islam. Damit könnte erneut die Furcht vor islamistischem Terror in den USA aufflammen. Möglich, dass Tsarnaev ein Anhänger des selbst ausgerufenen Kaukasus-Emirats war, das von den USA auf die Terrorliste gesetzt wurde. Möglich ist aber auch, dass es sich dennoch um Verrückte handelt - so sie wirklich schuldig sind. In diesem Fall würde die Tragödie zumindest auf lange Sicht einen Teil ihres Schreckens verlieren.