Putin genießt den Höhepunkt seiner Macht

 

Von Horst Kläuser, ARD-Hörfunkstudio Moskau

 

Der russische Präsident, zurückgekehrt in den Kreml, weiß um seine Macht und er wird sie nicht loslassen. Er kann sich sogar leisten, offen mit der Versuchung zu spielen, sich wieder und wieder wählen zu lassen: das hätte er doch bequem per einfacher Verfassungsänderung mit 300-Mann-Mehrheit beschließen lassen können. Tat er nicht, also sei sein Stil nicht autoritär. These abgelehnt.

 

Wie ein Popstar vor Hunderten Fans

 

Die Souveränität des alten und neuen Präsidenten bleibt nicht ohne Eindruck auf die 1200 Journalisten, die wie Fans beim Lady-Gaga-Konzert um Autogramme und das Fragerecht buhlen. Mal lächelnd, mal ironisch grinsend, bisweilen die Augen zum Schlitz geschlossen ernst und ablehnend den Frager musternd - Putin beherrscht den Saal, das Land.

 

Die Opposition kommt nur am Rande vor, er weiß, dass er sie kaum zu fürchten hat. Ehemaligen Politikern, die das Lager gewechselt haben, hält er vor, in ihrer Zeit hätten sie Chaos hinterlassen, vor allem in den Regionen.

 

Das System Putin läuft wie geschmiert

 

Putin weiß, dass das ankommt. Sein System, das auf parlamentarischen Diskurs verzichten kann, läuft wie geschmiert. Wenn die Staatsduma ein Adoptionsverbot für US-Bürger beschließt, kann Putin trotz der Bedenken im eigenen Kabinett und Unverständnis in der Bevölkerung emotionale Zustimmung signalisieren - aber sich das Hintertürchen offen lassen, zu unterschreiben oder eben nicht. Vielleicht steht er dann wieder als der humane Freund russischer Waisenkinder da, hat aber trotzdem seinen Frust gegenüber Amerika gefüttert.

 

Denn das Gesetz ist eine hastige Retourkutsche auf die sogenannte Magnitzki-Liste des US-Kongresses, die wegen des gewaltsamen Todes eines Moskauer Anwalts bestimmten Russen die Einreise verbietet.

 

Kritik wird lässig gekontert

 

Putin spielt auf der Klaviatur eines Staats, der Rechtsstaat sein will, es aber nicht ist. Wer mag an einen Zufall glauben, dass ausgerechnet während der Mammut-Pressekonferenz ein Urteil bekannt wird, mit dem die Haftstrafen des prominentesten russischen Häftlings Michail Chodorkowski um zwei Jahre verkürzt werden? Empört weist er die Vermutung zurück, er habe das beeinflusst - der Frager kenne wohl das Gerichtssystem nicht. Oder hat er gerade deswegen gefragt? Und überhaupt, versichert Putin, eine persönliche Verfolgung des einst reichsten Mann Russland sei das nicht gewesen.

 

Kein Zweifel. Putin ist auf dem Zenit seiner Macht angekommen, dialektisch geschult spielt er Kritik an sich, an seinem Politikstil und an seinem Land mit Beispielen der Unzulänglichkeiten in anderen Staaten zurück. Bei den USA gelingt das am besten. Beim Volk darf er sich der Zustimmung gewiss sein, bei nicht wenigen russischen Medien auch. Doch Zenit heißt Scheitelpunkt - meist geht es von dort in allen Richtungen nach unten