Was die Gewalt in Kairo für die USA bedeutet
Von
Martin Kilian, Washington
Das
Blutbad in Ägypten hat die Hoffnungen zerstört, die
Washington in den arabischen Frühling
setzte. Es zeigt auch, wie gering
der Einfluss Barack Obamas in Kairo geworden ist.
Die
schrecklichen Ereignisse in
Kairo wie auch das widersprüchliche Verhalten der Regierung
Obama im syrischen Bürgerkrieg illuminieren eine amerikanische Nahost-Politik, die zusehends konfus und hilflos wirkt. Welche Erwartungen
Washington auch immer an den arabischen Frühling gehabt haben mag: Nach
dem gestrigen Gewaltausbruch ist endgültig Ernüchterung eingekehrt und verflogen die Hoffnung, die arabischen Völker könnten ihrer Geschichte korrupter Despoten, Militärdiktaturen und religiöser Eiferer in naher Zukunft entfliehen.
Nicht einmal definiert hat die Obama-Administration bisher,
was sich in Kairo Anfang Juli zutrug,
als der gewählte
Präsident Mohammed Mursi gestürzt wurde. Es handle sich, wiegelten diverse Sprachrohre der Regierung ab, keinesfalls
um einen Coup, ja es müsse erst
noch bestimmt werden, wie der
Vorgang einzustufen sei. Die Wirtschafts- und Militärhilfe für Ägypten, immerhin anderthalb Milliarden Dollar pro Jahr, wurde nicht
ausgesetzt, wenngleich US-Gesetze dies klar verlangen. Stattdessen wurde das Versprechen der ägyptischen Militärs, bald zur Demokratie zurückzukehren, für bare Münze genommen.
Obamas Engagement hat seine Grenzen
Nun
zeigt sich, wie gering der
amerikanische Einfluss in Kairo geworden ist: Dass Verteidigungsminister
Chuck Hagel nahezu täglich mit General Abdel Fatah
al-Sisi telefonierte und ihn wiederholt vor einem blutigen
Vorgehen gegen die Muslimbrüder warnte, zeitigte keinerlei Wirkung. Der General schlug zu, eine
Rückkehr zum Status quo
ante scheint nach dem gestrigen Blutbad
kaum mehr möglich.
Wie im Falle Syriens sind
Washingtons Optionen auch in Ägypten beschränkt, dies umso mehr, als Barack Obamas Engagement im Nahen Osten Grenzen
hat: Nie hat dieser Präsident seinen Frieden mit dem
unseligen Krieg seines Vorgängers
im Irak gemacht.
Obama weiss, dass die amerikanische Wählerschaft auf absehbare Zeit nicht mehr in ein
nahöstliches Abenteuer gezogen werden möchte. Schon im
Falle Libyens sperrte sich der
Präsident, bis er französischem wie britischem Drängen nachgab und Schützenhilfe für die europäischen Verbündeten leistete.
Somit dürfte auch für Ägypten
gelten, was sich in Syrien zusehends andeutet: Washington setzt auf Stabilität, unter keinen Umständen sollen radikale islamische Kräfte an die Macht gelangen
oder geografische Nischen besetzen. Demokratie ist schön, endet aber,
wenn der Staat in die falschen Hände fällt. Es scheint, als sei
der Aussenpolitiker Barack
Obama bei Henry Kissinger in die Lehre
gegangen. Keinesfalls werde man zusehen, wenn ein Land sich
wegen der Verantwortungslosigkeit seiner Wähler
dem Kommunismus zuwende, hatte der Altmeister den sich abzeichnenden Wahlsieg Salvador Allendes in
Chile 1970 kommentiert. Man ersetze
«kommunistisch» durch «islamistisch» – und schon wiederholt sich die Geschichte. Wer hätte das gedacht?