Jetzt steht nicht nur die Präsidentschaft
Obamas auf dem Spiel
Von Martin Kilian, Washington. Aktualisiert
Die Republikaner
haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen, obwohl sie nie präzisiert
haben, wo sie den Rotstift ansetzen werden. Deshalb wiegt diese
Niederlage für die Demokraten besonders schwer. Ein Kommentar.
Die Konservativen
stehen Kopf vor Freude: Kongressabgeordneter Ed Perlmutter in Denver an der Siegesparty.
Nach dem Durchmarsch
der Demokraten bei den amerikanischen Präsidentschafts- und Kongresswahlen
2008 waren nicht wenige Kommentatoren überzeugt, dass die Partei Thomas Jeffersons und
Franklin Roosevelts auf lange
Zeit die Macht in Washington übernehmen
werde. Das Ergebnis der gestrigen Kongresswahlen
widerlegt diese Annahme: Nur zwei
Jahre nach dem demokratischen Triumph von
2008 siegten bei den Zwischenwahlen die Republikaner; im Repräsentantenhaus werden sie die Mehrheit der Abgeordneten
stellen, im Senat legte die Partei gleichfalls zu.
Nicht dass sie
mit neuen Ideen geworben hätten: Wie gehabt
werden Steuersenkungen als politisches Wunderelixier propagiert, indes ein kleinerer
Staat inklusive Haushaltskürzungen die bedrohliche
Staatsverschuldung herabfahren
soll. Dass die Republikaner im Wahlkampf niemals präzisierten, wo genau sie den Rotstift
ansetzen wollen, hielt die amerikanische Wählermehrheit nicht davon ab, ihnen
zum Sieg zu verhelfen. Auch
deshalb ist dieses Wahlergebnis eine deftige Quittung für einen Präsidenten,
den beim Amtsantritt im Januar 2009 zwar die schwerste Krise seit der
Grossen Depression der Dreissigerjahre erwartete, der es aber
nicht vermochte, einen klaren Kurs
aus dieser Krise zu steuern.
Angeschlagene Weltmacht
Nun wird
Barack Obama umdenken und sich
auf eine wiedererstarkte republikanische Opposition einlassen
müssen, die ihn als politischen Unfall begreift und unter dem Einfluss
der Tea Party womöglich noch härter als
bisher auftreten wird. Die neuerliche Aufsplitterung der Macht in Washington, wo die Republikaner jetzt das Repräsentantenhaus beherrschen werden und die Demokraten den Senat sowie das Weisse Haus, wird
wahrscheinlich in eine politische Blockade münden. Statt die überfällige Sanierung der angeschlagenen
Weltmacht, deren Bürger von Abstiegs- und Niedergangsängsten geplagt werden, in die Wege zu leiten, könnten die neuen Machtverhältnisse in Washington neues
Chaos auslösen.
Auf dem
Spiel steht dabei nicht nur die Präsidentschaft
Barack Obamas. Auch die Zukunft der Vereinigten
Staaten ist angesichts der vielen ungelösten Probleme inzwischen gefährdet. Wenn die Republikaner nach zwei Jahren Obstruktion
und Verweigerung im Gefolge ihres Wahlsiegs
keine politische Verantwortung übernehmen und zudem aller Augen
bereits auf die Wahlen 2012
gerichtet sind, wird das Regieren in Washington unmöglich werden. Die Konsequenzen wären weitreichend.