Den Drohungen müssen Sanktionen folgen
Die
deutsche Haltung in der Krim-Krise und im Umgang mit Russland
ist trotz aller Kritik aus
dem Ausland glaubwürdig - allerdings nur, wenn aus
Drohungen jetzt wirkliche Sanktionen werden. Diese dürfen
auch dort nicht haltmachen, wo sie der
eigenen Wirtschaft wehtun.
Ein Kommentar von
Stefan Braun, Berlin
Deutschlands Kurs im Ukraine-Konflikt ist bislang vor
allem an zwei Stellen kritisiert worden. Erstens sei die Bundesregierung zu sanft mit
Wladimir Putin umgegangen. Deshalb sei dieser
nicht gezwungen gewesen, seinen Kurs zu korrigieren.
Und zweitens habe der Versuch, Moskau
zur Entspannung der Lage in Gespräche
zu locken, nichts gebracht und sei also diplomatisch sinnlos gewesen. Diese Kritik ist
aus den USA genauso zu hören wie
aus den baltischen Staaten. Und auf den ersten Blick klingt sie
plausibel. Falsch ist sie trotzdem.
Ja, es ist korrekt, dass
die Bundesregierung, anders
als viele Amerikaner, Briten und Balten, davor gewarnt
hat, zu früh Sanktionen zu beschließen.
Stattdessen plädierte sie dafür, diese
zunächst als Drohung zu nutzen,
um Putin vor deren Inkrafttreten die Folgen seines Kurses klarzumachen. Aber es wäre
falsch zu glauben, dass man Putin mit frühen, harschen
Sanktionen eher zum Einlenken hätte
bewegen können. Ein Blick auf die Stimmung in Russland zeigt, dass ihm
die aggressiveren Töne aus den USA gerade recht kamen. Sie
erleichterten es ihm ganz erheblich,
sich als Bollwerk gegen eine vermeintliche westliche Aggression zu stilisieren.
Auch beim zweiten Kritikpunkt lohnt ein genauerer
Blick. Es stimmt, dass die Bemühungen Berlins,
Putin für eine internationale Kontaktgruppe zu gewinnen, nichts
gebracht haben. Aber falsch oder
unnütz waren sie deshalb nicht.
Im Gegenteil. Auf sie zu verzichten,
wäre unverantwortlich gewesen. Wer im
21. Jahrhundert die Überzeugung
vertritt, dass Konflikte nicht mit Waffengewalt gelöst werden sollten,
kommt nicht umhin, auch in diesem Fall zeitgleich zur klaren Kritik
am russischen Vorgehen auch Gespräche anzubieten.
Die
Sanktionen müssen das
Regime in Moskau treffen
Glaubwürdig ist diese Haltung freilich
nur, wenn aus Drohungen jetzt
Sanktionen werden. Und wirkliche Sanktionen können sich nicht
mehr auf symbolische Akte beschränken. Es reicht nicht, G-8-Gipfel oder die deutsch-russischen Regierungskonsultationen abzusagen.
Jetzt müssen Sanktionen das Regime in Moskau genauso treffen wie jene, die es
tragen. Und sie dürfen, sollte Putin nicht in letzter Sekunde doch noch
einlenken, nicht dort haltmachen, wo sie der
eigenen Wirtschaft wehtun.
Damit ändert sich auch die Aufgabe
für die deutsche Regierung.
So richtig sich Angela
Merkel und Frank-Walter Steinmeier bislang verhalten haben, so sehr stehen sie jetzt
in der Pflicht, Sanktionen auch dann zu verteidigen,
wenn sie Folgen für die eigene Bevölkerung oder andere in Europa haben sollten.
Vieles spricht dafür, dass Putin in einer Gegenreaktion versuchen könnte, einzelne EU-Staaten zu treffen.
Dann wird das Wort Solidarität in der Europäischen Union ein neues Gewicht
bekommen. In Not geratenen Staaten Gas abzugeben, das bei uns selbst
knapp wird - über diese Art von Ernstfall hat bislang niemand gesprochen. Sollte er eintreten,
wird sich zeigen, mit wie
viel Verve Merkel und Steinmeier
nicht nur für Gespräche, sondern auch für
harte Sanktionen und eine sehr konkrete
Solidarität in der EU kämpfen.