"Die Amerikaner haben uns belogen"
Von
Hans Leyendecker und Georg Mascolo
Das
geplante No-Spy-Abkommen der Bundesrepublik mit den USA droht zu scheitern. Obwohl
die Verhandlungen offiziell
noch laufen, hat die Bundesregierung kaum noch Hoffnung, ein Abkommen, das einen bilateralen Verzicht auf Spionage beinhalten sollte, mit den USA abschließen zu können. So verweigern
die USA sogar die Zusage, künftig keine deutschen
Regierungsmitglieder und politischen
Amtsträger mehr abzuhören.
In
Kreisen des Bundesnachrichtendienstes
(BND), der mit den Verhandlungen beauftragt ist, herrscht deshalb große Enttäuschung: "Wir kriegen nichts",
sagte ein mit dem Stand der
Verhandlungen vertrauter Experte der Süddeutschen
Zeitung.
BND-Präsident Gerhard Schindler soll intern erklärt haben, bei diesem
Stand lieber auf ein Abkommen zu verzichten,
als es zu
unterzeichnen. Die Verbitterung
in deutschen Verhandlungskreisen
ist groß: "Die Amerikaner haben uns belogen", sagte ein hochrangiger
Beamter.
So
weigern sich die USA beispielsweise weiterhin mitzuteilen, seit wann das Handy von Angela Merkel abgehört
wurde, und sie geben auch keine
Auskunft darüber, ob weitere deutsche Spitzenpolitiker
abgehört wurden oder abgehört werden.
Bevor der Lauschangriff auf die Kanzlerin bekannt geworden war, hatte die US-Seite schriftlich garantiert, dass der Militärgeheimdienst
NSA "nichts unternehme,
um die deutschen Interessen
zu schädigen". Forderungen des Verfassungsschutzes,
deutschen Experten Zutritt zu einer
vermuteten Abhörstation von
US-Geheimdiensten im Obergeschoss der Botschaft am Pariser Platz in Berlin zu gewähren, lehnen die USA ab.
Die
Bundesregierung hat der US-Regierung inzwischen erklärt, dass sie
einen solchen Lauschposten für einen Verstoß gegen
das Wiener Übereinkommen über
diplomatische Beziehungen hält. Die Bundesanwaltschaft prüft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
Immer mehr Menschen wollen sich seit den Enthüllungen
von Edward Snowden im Internet so unerkannt
wie möglich bewegen. Davon profitieren anonyme Dienste wie die alternative Suchmaschine DuckDuckGo. Sie hat im vergangenen
halben Jahr ihre Nutzerzahlen verdreifacht.
Die
Weigerung der Amerikaner, ein Abkommen mit Substanz
zu unterzeichnen, kommt für Berlin unerwartet. Noch im Sommer 2013 hatte NSA-Chef Keith Alexander seinen
deutschen Gesprächspartnern,
unter ihnen BND-Präsident Schindler, ein weitreichendes Abkommen in Aussicht gestellt. Allerdings hatte er stets darauf hingewiesen, dass dieses Abkommen vom Weißen
Haus genehmigt werden müsse. "Das liegt nicht allein
in unserer Hand", soll
er gesagt haben.
Das
scheinbare Einlenken der Amerikaner führte dazu, dass
die Bundesregierung offenbar
mit einem schnellen und positiven Abschluss rechnete. Es seien bereits mündlich
"Zusicherungen" mit
der US-Seite verabredet worden, hieß es noch
im August. Demnach solle es "keine gegenseitige Spionage, keine wirtschaftsbezogene Ausspähung
und keine Verletzung des jeweiligen nationalen Rechts" geben. Diese angeblichen Zusicherungen scheinen sich in Luft aufgelöst
zu haben.
Ein Regierungssprecher
wollte am Montag den SZ-Bericht nicht kommentieren. Die Verhandlungen dauerten noch an. Aus dem Kanzleramt hieß es, man hoffe,
"in den nächsten drei Monaten noch etwas
hinzubekommen".