Tom
talks Deutsch
Ein spannender, historisch weitgehend korrekter Thriller: Nach allen Vorab-Verdammungen
und Begrüßungs-Hymnen feiert
"Operation Walküre" in New York Premiere
und triumphiert - fast.
Von Tobias Kniebe
Die ersten
Stimmen des Films sind deutsch. Ein bellender Männerchor,
der in abgehackten Sätzen den Soldateneid auf Adolf
Hitler spricht. "Ich schwöre bei Gott
diesen heiligen Eid, dass ich
dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes ..." Ein tiefes Rot füllt dazu die Leinwand, dann wird das Wort
"Walküre" sichtbar,
das sich langsam in das englische "Valkyrie" verwandelt. Das Rot entpuppt sich, als
die Kamera zurückfährt, als das Rot einer Hakenkreuzfahne.
Dann spricht noch
eine andere Stimme deutsch: Für die englisch-amerikanische
Version des Films hat Tom Cruise höchstselbst die Sprache gelernt, um einen Tagebucheintrag Stauffenbergs im Voice-over vorzulesen - das Land, sagt er, braucht einen
gewaltsamen Umsturz. Dann erst blendet
der Film ins Englische. So versucht Hollywood,
seine Zuschauer in diese
Geschichte hineinzugeleiten, die eben
keine Hollywood-Geschichte ist. Allein an Tom Cruise in Deutschland, der einen deutschen Helden spielt - daran muss man sich erst einmal gewöhnen.
Weltpremiere in New York, und endlich kann man sehen, was aus der gewaltigen
Aufregung um dieses Projekt
nun wirklich geworden ist, was bleiben wird nach all den Vorab-Verdammungen und Begrüßungs-Hymnen
angesichts der Idee, aus der
deutschen Schicksalsfigur
Claus Graf Stauffenberg nun einen
Protagonisten des internationalen
Kinos zu machen - einen Helden, von dem der Rest der Welt auf diese Weise endlich erfahren soll.
Kein
anderer Film in erinnerbarer
Vergangenheit wurde schon während seiner Entstehungszeit so hart kritisiert,
mit Häme überschüttet, gleich vorab für gescheitert
erklärt.
Die schärfsten Internetpropheten
Hollywoods kannten kein Halten mehr,
als sie die ersten Bilder von Tom Cruise mit Stauffenbergs Augenklappe sahen - sofort war das Wort vom "Nazi-Film" in der
Welt, und die Geschichtskundigen wiesen
noch hämisch darauf hin, dass
der Plot, Adolf Hitler in die Luft
zu sprengen, am Ende ja wohl
jämmerlich gescheitert sei.
Hierzulande fiel das Echo vielfach kaum freundlicher
aus: Berthold Graf Stauffenberg,
der älteste Sohn des Attentäters, forderte Tom Cruise in dieser Zeitung auf, doch bitte am besten
gleich wieder nach Hause zu
gehen. Historiker fahndeten auf Geheiß der Springer-Presse nach scheinbaren oder realen
Fehlern im Script und im Trailer, dann wurde das "Lügen-Drehbuch"
angeprangert.
Grundsolide
Performance
Die Sektenbeauftragten
bliesen zur Hatz auf Tom Cruise, den Scientologen,
der auf keinen Fall im Bendlerblock,
am historischen Ort des Geschehens,
drehen dürfen sollte. Dann durfte er doch.
Und selbst
jene, die dem Projekt eher wohlgesonnen
waren, schadeten am Ende wohl mehr
als dass sie halfen: etwa
der Burda-Clan, der Tom Cruise einen "Bambi für Mut" zusprach,
oder Florian Henckel von Donnersmarck, der einen Imagegewinn
für Deutschland prophezeite,
größer als "zehn Fußball-Weltmeisterschaften".
Die Wahrheit
ist, wie
immer natürlich in solchen Fällen, dann am Ende nicht
halb so dramatisch. Weder wird hier
das Ansehen der deutschen Widerstandskämpfer in irgendeiner Weise in den Schmutz gezogen, noch ist
nun ernsthaft mit globaler Stauffenberg-Euphorie zu rechnen; weder
wird Tom Cruise' Karriere nach diesem Film zu Ende sein,
noch steht seine Heiligsprechung unmittelbar bevor - er liefert
schlicht eine grundsolide Performance ab, die Stauffenbergs wunderbares, vielbeschriebenes Lachen zwar nicht zeigt
- aber das haben die anderen Darsteller bisher auch nicht
hinbekommen. "Operation Walküre"
ist einfach
ein spannender, historisch weitgehend korrekter, ziemlich guter und komplexer Thriller.
Gemessen daran, was dem Film alles
unterstellt und vorgeworfen
wurde, gemessen auch daran, wie
gründlich das alles hätte schiefgehen können, kann man allerdings schon fast von einem Triumph sprechen. Auf jeden Fall ist
es der bisher
spannendste, wirklichkeitsnächste
und komplexeste Spielfilm über den 20. Juli - auch wenn die Latte, nach drei deutschen
Versuchen von 1955 bis
2004, sicher nicht unerreichbar hoch
lag.
Zudem kann man sagen, dass Hollywood ein nun wirklich restlos deutsches Thema kaum je so ernstgenommen hat wie bei dieser
opulenten logistisch-cineatischen
Großanstrengung.
Was keineswegs
heißt, dass "Operation
Walküre" sich nun sklavisch an die historisch verbürgten Fakten hält. Gleich
zu Anfang zum Beispiel wird
kühn die Chronologie umgedreht: Der Film beginnt in der tunesischen Wüste, wo Stauffenberg
im April 1943 schwer verwundet wurde, dann springt er
zurück in den März desselben Jahres, wo eine Gruppe
von Offizieren um Henning von Tresckow
im russischen Smolensk versuchte, eine Bombe in Hitlers "Führermaschine"
zu schmuggeln. Das mag zunächst wie
Willkür erscheinen, aber bald versteht man, warum die Autoren Christopher McQuarrie und James Nathan und der
Regisseur Bryan Singer sich
für diese Abweichung entschieden haben.
Die
Logik des amerikanischen Kinos
Afrika bietet die Gelegenheit, mit Stauffenbergs Motivation einzusteigen,
ihn einmal stellvertretend für den gesamten Widerstand sprechen zu lassen
- mit Worten, die er so nie zu
Papier gebracht hat, die aber sehr ähnlich
von seinen Mitstreitern verbürgt sind: Die Grausamkeiten der SS seien eine Schande
für die Ehre der Armee, notiert
er da, genauso
wie die Morde an Zivilisten, die Folter und das systematische Verhungernlassen
von Gefangenen, die Massenhinrichtungen
der Juden...
Nach der Logik
des amerikanischen Kinos
muss das einmal gesagt werden, bevor Stauffenberg
von alliierten Jagdfliegern
zusammengeschossen wird- andernfalls könnte es leicht so aussehen,
als suche er nur persönliche
Rache an Hitler - nämlich für ein verlorenes
Auge und einen verlorenen Arm.
Immer wieder erkennt man
dieses Bemühen, den Männern
des 20. Juli
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, gerade
in Momenten, wo
die Dramaturgie von der Wirklichkeit abweicht. Hitlers Schutzmaßnahmen erscheinen wesentlich schärfer, als
sie damals wirklich waren - andernfalls könnte die Frage auf Abwege führen, warum nicht
einfach ein Offizier in seiner Nähe zur Pistole gegriffen
hat.
Stauffenbergs vergeblicher Attentatsversuch schon am 15. Juli in der Wolfsschanze
wird an den falschen Ort verlegt - hier wollen Singer & Co. einmal zeigen, wie erfolgversprechend die geplante, aber dann nie realisierbare
Bombenzündung in einem fensterlosen Bunker mit meterdicken Betonwänden gewesen wäre. Das
kann man kritisieren - aber dann muss man auch dazusagen, dass zum Beispiel
Jo Baier in seinem "Stauffenberg" den 15. Juli gleich
ganz unterschlägt. Hier trauen die Amerikaner ihren Zuschauern doch wesentlich mehr Mitdenken zu als seinerzeit die Deutschen.
Noch viel wird
nach dieser Premiere zu beschreiben und zu analysieren sein, ein vorläufiges
Fazit aber kann jetzt gezogen
werden: "Operation Walküre"
erfindet das Kino nicht neu, er ist auch nicht das Meisterwerk, von dem man im Gedanken
an die wahre Geschichte träumen
konnte - aber er ist eben
auch nicht viel weniger.