Die
Früchte des Pfusches
Mitunter wünscht man sich, man müsste nicht «ich hab's
ja gesagt» schreiben. Doch die gegenwärtige Entwicklung im Irak beweist,
dass alle schrecklichen Vorahnungen Tatsache werden können. Oder wie es an dieser Stelle
2007 hiess, «dass man wahrlich unlösbare Probleme schaffen kann.»
Wer heute mit Entsetzen auf die Entwicklung im Irak blickt und für diese dem
Truppenabzug der Amerikaner unter Obama die Schuld gibt, vergisst,
dass diese Bombe schon lange vorher
gezündet worden war. Und zwar durch George W. Bush, den Pfuscher von Washington und seiner Truppe
von 'wir können alles machen'-Dilettanten.
Der Autor weiss nicht wie
viele von den Lesern sich noch daran
erinnern können, aber der zweite
Irakkrieg würde, laut George W. Bush im Jahr 2003, ein «billiger und sauberer Krieg» werden, der (laut
dem damaligen Vize-Verteidigungsminster Wolfowitz)
«für sich selbst» zahlen würde. Dass am letzten Wochenende ausgerechnet dieser Wolfowitz in der legendären Politsendung «Meet the
Press» auf NBC zum Irak,
und was dort getan werden sollle, befragt wurde, grenzt an medialen Rinderwahn. Es ist klar, dass Wolfowitz
die Schuld nicht bei sich, Bush oder Cheney, sondern beim Abzug der Truppen durch Obama sieht.
Ein weiterer Irak-Brandstifter, Bill Kristol, ein neokonservativer Polit-Analyst und -Kommentator, der mit der
Neokonservativen-Bewegung, die Bush und seine Freunde in ihre politischen Ämter geschoben hat, begründete und bekannt für seine katastrophalen Vorhersagen zum Irak berüchtigt
wurde («der Krieg wird 2 Monate dauern»,
«die Amerikanischen und Alliierten-Kräfte
werden in Bagdad als Befreier willkommen geheissen,» und ein Monat nach beginn
der Kämpfe: «die Schlachten in Afghanistan und dem
Irak sind entscheidend und ehrenhaft gewonnen worden») durfte auf ABC die Schuld an dem von ihm unterstützten
Desaster auch auf Obama schmeissen.
Doch egal, was diese Lügner und Polit-Betrüger behaupten: Es waren die gefälschten «Beweise» über Massenvernichtungswaffen,
die geradezu schwachsinnige
Kriegsplanung der
Bush-Administration, die völlige Konzeptlosigkeit
nach dem militärischen Sieg und Bushs und seines Kabinets irre Allmachtsfantasien, die in direkter Linie zum jetzt stattfindenden
Terror durch die ISIS-Terroristen
geführt haben. Es ist auch kein
Zufall - eher das Gegenteil davon - dass die ISIS-Offensive entscheidend
vom einstigen Saddam
Hussein General Issat al-Duri
geplant worden ist.
Al-Duri war einer von Saddams Weggefährten, stammt wie dieser
aus Tikrit und war einer jener, die 1968 die Baath-Partei und somit auch Saddam Hussein an die Macht geputscht hatten. Al-Duri war schon beim Aufstand gegen
die US-Besatzer nach deren «endgültigem» Sieg einer der
Haupt-Organisatoren und hat nun, mit
den Unruhen in Syrien im Rücken, eine
fanatische Streitmacht von sunnitischen Fundamentalisten als Verbündete gefunden, derweil die Baath-Partei scheinbar eine Wiederauferstehung feiert. Al-Duri wird seit Jahren
gesucht und ist Kreuz König des berüchtigten Kartenspiels des US-Verteidigungsministeriums mit den
meist gesuchten Mitglieder des Saddam-Regimes.
Die
Gefahr, wird für so gross eingeschätzt, dass die Amerikaner und die Iraner tatsächlich darüber sprechen, wie diese bekämpft
werden kann. Ja, es wird
- obwohl kategorisch als unmöglich bezeichnet
- über eine Zusammenarbeit von Teheran und Washington gegen die ISIS nachgedacht.
Bushs Plan war ja seinerzeit, schnell nach Bagdad zu fahren, das Hussein-Regime zu beseitigen, den Irak zu befrieden, dann
jede Menge Erdöl aus einem
glücklichen Zweistromland zu exportieren und dabei gleichzeitig vor allem den Iran und ein wenig Saudi Arabien zu schwächen.
Irak würde als Beispiel für
die umliegenden Länder dienen und die Demokratie und der Kapitalismus nach US-Vorbild würden sich ganz
von selbst ausbreiten, der islamische Fundamentalismus von Al Kaida der Vergangenheit angehören. Wer heute das Resultat dieser geradezu geistesgestörten realitätsfernen Ideen sieht, realisiert
ernüchtert, dass Bush nichts von alledem erreicht hat: Ein einstiger Hussein-Getreuer ist dabei, mit
seinen barbarischen Horden einen Grossteil
des Landes in einem brutalen Rachefeldzug zu erobern, Öl
wird praktisch gar keines exportiert, der Iran wird immer
mehr zur unverzichtbaren Grösse in der Region und die islamischen Fundamentalisten sind stärker als je zuvor und, seit dem Erbeuten von riesigen Bargeld-Vorräten in Mossul, auch reicher.
Es
heisst ja, dass man aus Fehlern
lerne. Doch zumindest hier scheint dies nicht der Fall zu sein,
denn wenn jene, die diese Fehler begangen haben, nun sehenden Auges behaupten, dass es mehr
von dem brauche, was das ganze Desaster ausgelöst habe, darf man zurecht von einer Lernkurve die parallel zur und direkt auf der Y-Achse verläuft,
ausgehen.
Doch es ist einfach, das Desaster und die Schuldigen zu deklarieren. Es ist viel schwieriger
hingegen, eine Lösung zu finden.
Das Problem von Ländern wie
dem Irak, dessen Grenzen in hemmungsloser Willkür einst von Kolonialbeamten gezogen worden sind, ist, dass
es sie als
Nation eigentlich gar nicht
gibt. Der Zerfall in mehrere, ethnisch einigermassen einheitliche Staaten (ähnlich wie in Ex-Jugoslawien) wäre die logische Konsequenz. Doch wer ist
Willens und fähig dies vorzuschlagen oder gar zu fördern? Heftigster
Widerstand ist vorprogrammiert. Nicht zuletzt, weil solche
Pläne in dieser Gegend als ein
Plan der USA bekannt und gefürchtet sind.
Denn seit Jahren geistern durch die arabischen Medien Landkarten eines nach Ethnien
neu geordneten nahen und mittleren Ostens, die von einem US-Lieutenent Colonel in einem Artikel vorgeschlagen worden waren. Diese
als «Blut-Grenzen» bezeichneten neuen Nationen würde die heutigen Grenzen neu Zeichnen, teilweise
neue Nationen hervorbringen und alte Nationen zerteilen oder gar aufheben. Würde eine solche
Neuordnung mehr Frieden und weniger Konflikte bringen? Wer weiss? Aber
der Weg dort
hin wäre - und die Behauptung, dass die gegenwärtigen Konflikte in Syrien und im Irak
ein erster Schritt einer solchen
Neuordnung seien, bewiese dies auch - in Ströme von Blut getaucht.
Wie immer die Entwicklung auch sein mag, die da
kommt, der faulige Geruch der Früchte des Pfusches, die von George W. Bush und seinem
Schosshund Toni Blair damals
vom Baum der Geschichte geschüttelt und im Irak zurück gelassen
worden sind, wird noch lange,
sehr lange in der Luft hängen
bleiben.