Im Westen nichts Gutes
Mittwoch, 4. Jun 2014
Barack
Obama verspricht den Ländern
Osteuropas Schutz und verlangt vom Kongress
dafür eine Milliarde Dollar. Beruhigt darf die amerikanische Rüstungsindustrie aufatmen: auch nach dem
Rückzug aus Afghanistan wird man noch auf lange Sicht gute
Geschäfte machen. Diesmal wieder in Europa.
Am
6.Juni jährt sich die Landung in der Normandie zum 70. Mal. Die Staats- und Regierungschefs Europas, der USA und Russlands werden einmal mehr mit
pathetischen Worten den Sieg über Nazideutschland
feiern. Das Europa, so wie wir es
heute kennen, ist in der amerikanischen
Leseart einzig und allein dem beherzten
Einsatz der Yankees für Demokratie und Menschenrechte entstanden...hmm.
Jeder Anlass kommt Barack Obama recht, um zum Kriegsrassler zu werden. Deshalb
gestern dieses grosskotzige
Versprechen für eine US-«Schirmherrschaft» über Europa. Die NSA bespitzelt ganz Europa? Fast vergessen. Die europäischen Bürger sperren sich dagegen,
ihre Verfassungsrechte an ein Schiedsgericht von ein paar US-und EU-Lobbyisten aufzugeben (TTIP)? Ist doch
egal. Wenn der Krieg nah genug an Europa tritt, ist
Uncle Sam sofort zur Stelle. Deshalb werden wir jetzt
schon mit Anti-Russenpropaganda infiltriert und unsere Medien machen
unkritisch mit. Niemand merkt, dass es Obama wie
seinen Vorgängern nur darum geht,
das letzte funktionierende Sozialstaatenmodell namens Europa auszulöschen.
Die
US-Taktik ist seit 70 Jahren dieselbe. Kennen Sie die 11 Bulletpoints neoliberaler Feldzüge? Nicht? Ich wiederhole
sie an dieser Stelle gerne nochmals,
denn das Ermächtigungsgesetz
des 21. Jahrhunderts, das TTIP
dokumentiert, was Sache ist:
-
Wortkreation «ausgewogene Staatshaushalte» mit entsprechenden Privatisierungsprogrammen
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Vom Markt festzusetzenden Zinsen
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Niederschlagung aller Handelsschranken
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Bail out für Grossbanken durch Staatsgelder
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Abschaffung sozialer und ökologischer Mindeststandards
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Abschaffung des Verbraucherschutzes
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Freisetzung des internationalen
Kapitals
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Steuerbefreiung für internationale Unternehmen
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Privatisierung von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital
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Uniformierung der universitären Bildung via Ratingmethoden
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Expertokratie, welche nur zum Ideologietransfer
zur Öffentlichkeit dient
Seit Jahrzehnten beäugen die USA misstrauisch alle Bestrebungen der EU, wirtschaftlich eine grössere Autonomie
zu erlangen. Die ehemalige US-Aussenministerin Condoleeza Rice bringt es in diesen Tagen
einem Interview klar auf den
Punkt: «Langfristig sollten die globalen Abhängigkeitsverhältnisse von Energien
verändert werden». Und fährt fort: «Europa solle sich doch
endlich mehr auf Nordamerikas Energiereserven stützen.» Deutlicher kann man es nun wirklich nicht mehr ausdrücken. Die Amerikaner sind gerade im grossen
Stil dabei, mit Fracking und dem Abbau von Ölschiefer ihr Land massiv auszubeuten und zu zerstören, deshalb sollen doch bitteschön
wir Europäer dafür bezahlen.
Das
Nachkriegseuropa ist so lange mit dem
Bild von Coca-Cola, Rock'n'Roll,
chromblitzenden Strassenkreuzern,
Hollywood, dann Apple und Google erzogen
worden, dass es schwerfällt, sich vom Bild
des «Schutzherrn» zu lösen und klar den Aggressor zu erkennen.
Im Jahr 2014 wird beim ernüchterten
Blick von den Stränden der Normandie nach
Westen klar, dass aus dieser
Richtung schon lange keine Retter
und Helfer mehr gekommen sind. Die Finanzkrisen von 2001 und 2008, die Kriege
in Afghanistan und im Irak
und nun die Abschaffung der
Bürgerrechte durch die NSA und
dem geplanten TTIP zeigen, dass
die Europäer eher früher als später
an der Genmaissuppe ersticken, die ihnen die mächtige amerikanische Finanz- und Wirtschaftslobby einbrockt.
Die
Warenströme der Zukunft sehen aus
Sicht der USA folgendermassen aus: von West nach Ost fliessen
amerikanisches Gas und Öl, während von Ost nach West die ausgespähten Daten der europäischen
Bürger sowie milliardenschweres Kapital aus den Privatisierungsaktionen der öffentlichen europäischen Güter den Atlantik überqueren. Diese Handelsbilanz nach amerikanischer Couleur kostet uns langfristig alle Errungenschaften, die Europa zum einzigen
ernstzunehmenden Konkurrenzmodell
gegenüber dem entfesselten Kapitalmarkt USA machen.
Wenn also nun Obama sagt:
«Unser Engagement für die Sicherheit
unserer Alliierten ist sakrosankt», dann überkommt mich das grosse Grauen. Denn in Wirklichkeit heisst dies nur: Wir werden
notfalls mit Waffengewalt unsere Finanzinteressen überall auf der Welt schützen. Aber das wird übermorgen
bei der D-Day Feier sicher ganz
anders klingen.