Terror aus der Teekanne
Patrik
Etschmayer
Man
stelle sich vor: eine Terror-Organisation bereitet von langer Hand einen Schlag gegen die USA vor. Das Ziel ist
es, die eigenen, radikalen Ziele zu erreichen, auch
wenn dabei die Handlungsfähigkeit der westlichen Supermacht ernsthaft beschnitten, die Sicherheit kompromittiert und viele Menschen in soziale Not gestürzt werden.
Der Shutdown der
US-Regierung, der gestern begonnen hat, zeigt auf, was passiert, wenn in einer Demokratie
(oder dem, was von einer solchen noch
übrig ist), radikale Kräfte alles machen, um ihr Ziel, eine
allgemeine Gesundheitsversorgung
zu blockieren, zu erreichen. Hier
den Vergleich mit Terrorismus zu ziehen, mag etwas
krass erscheinen, doch die Folgen könnten gravierender werden, als jene
eines Bombenanschlages.
Natürlich wird wegen des Shutdowns nicht die ganze USA anhalten. Sowohl aktives Militär als auch
die meisten Polizeikräfte werden weiter beschäftigt,
ebenso die Luftverkehrskontrolle,
Notfallmedizin-Dienste oder
die Überwachung des Stromnetzes.
Doch die Einschnitte
sind bei weitem nicht harmlos.
Das CDC (Center for Disease Control) wird nun, ausgerechnet am Beginn der Grippesaison nur noch sehr
beschränkt arbeiten und sollte ausgerechnet jetzt eine ansteckende
Krankheit ausbrechen, wäre es dem
CDC fast nicht möglich, zu reagieren und Ärzte, die zwar weiter arbeiten, raus zu schicken,
weil die Verwaltung stillgelegt ist.
Auch die Umweltschutzbehörde
wird unter Einschnitten leiden und grosse Umweltsünder werden es sicher
auszunutzen wissen, dass illegales Entsorgen gefährlicher Abfälle allenfalls unter dem Radar der Behörde stattfinden
kann - für gewisse Tea-Party-Parteigänger vermutlich sogar ein Zusatznutzen.
Doch wie immer wird es
auch jetzt vor allem wieder
die Schwächsten treffen:
Die Nahrungshilfsprogramme für
Kinder und Säuglinge werden
schon kurz nach dem Shutdown kein Geld mehr haben, die Sozialhilfe wird Leuten, die neu eine Behinderung
haben, nicht in die Programme aufnehmen können und Armee-Veteranen werden nicht mehr
in die Reha und Wiedereingliederung
gehen können und nach 2-3 Wochen auch keine Pensionen
und Invalidenzahlungen mehr
erhalten.
Für uns hier in Europa ist hingegen erfreulich,
dass die Geheimdienste auch auf das Minimumprogramm runter fahren müssen
und unsere Emails nicht mehr so genau gescannt
werden können - ebenso wenig wie
jene von islamistischen Terroristen.
Doch dies sind nur die Folgen dieses Anschlags auf der Behördenseite und jenen, die dort Dienste beziehen.
Für die Beschäftigten bedeutet es hingegen,
ohne Bezahlung zu Hause zu
bleiben. Unbezahlte Zwangsferien für 800'000 Staatsangestellte: Leute, die Familien haben, Leute, die Hypotheken ab- und Schulgeld bezahlen müssen. Sollte der Shutdown länger gehen - und mit den Teekannen-Terroristen ist dies nicht unwahrscheinlich - könnte dies Zehntausende ihr Haus und ihre Existenz
kosten.
Und
dies alles, weil die Obama-Regierung eine Gesundheitsreform eingeführt hat,
die es allen Bürgern erlaubt, eine Krankenversicherung zu kaufen - ein
Recht, das zweifellos bekämpft gehört, wenn man nicht will, das ärmere Mitmenschen länger als unbedingt
nötig leben. Dass Obamacare, wie es ja
auch so schön genannt wird, ausgerechnet
jetzt gerade zugänglich geworden ist, macht die Tea-Terroristen-Blockade noch absurder und die ideologische Verbohrtheit der Gegner offensichtlich zu dem Stoff,
aus dem Schwachsinn
gemacht wird, nicht zuletzt, weil ein längerer
Shutdown auch die Wirtschaft,
die sich gerade erst erholt, wieder
abwürgen könnte.
Dass dabei über 90% der Sitze
im die Regierung blockierenden Repräsentantenhaus durch die Manipulation der Wahlbezirksgrenzen (auch
Gerrymandering genannt) ohnehin
gar nicht durch wirkliche Wahlen, sondern durch Tricksereien
praktisch fest zugeteilt sind, macht diese
Kammer des Kongresses zu einem Ort, an dem nicht Verantwortung
gegenüber den Wählern und Staat das Verhalten bestimmt, sondern nur verbohrt-ideologischer Destruktivismus.
Der Shutdown wird
Milliarden an Schäden anrichten, er wird
Leute in den Ruin stürzen, er wird so manches
Leben kosten und am Schluss werden die USA garantiert schlechter da stehen als
zuvor. Die Tea-Party, die von so manchem
in Europa als vorbildhaft hingestellt wird, schafft somit
das, was Terroristen auf der
ganzen Welt bisher nicht hingekriegt haben. Die neue Tea-Party Ikone Ted Cruz sollte eigentlich schon bald ein Glückwunschtelegramm von Al Kaida bekommen, wenn alles normal zu und her geht