Die Kinderverhungerer von Washingtonpubliziert
Patrik
Etschmayer
Mittwoch, 25. Sep
2013
Momentan sind wir in Europa dermassen
mit unseren eigenen Komikern (auch als Politiker
bekannt) beschäftigt, dass das derzeit in den USA sich abspielende Drama fast nicht wahrgenommen wird. Dort führen die Republikaner Krieg. Nicht gegen Syrien, sondern
gegen hungrige amerikanische Kinder.
Worum geht es? Es geht darum,
dass die rechten Tea-Party-Republikaner «SNAP», das Essensmarken-Programm
kürzen wollen, mit dem arme
Amerikaner lebensnotwendige
Nahrungsmittel beziehen können. Das Argument der Republikaner: Immer mehr Leute nähmen
das Programm in Anspruch, obwohl die Arbeitslosenrate zurück gehe. Es sei daher klar,
dass hier Missbrauch betrieben werde.
Betrachtet man allerdings
die Bedingungen, unter denen diese «Essensmarken»
(die de Facto eine Chip-Karte
ist), ausgegeben werden, wird klar,
dass fast kein Missbrauch möglich ist: Die Ausgabe ist fest an ein maximales Einkommen gebunden. Doch die Gürtel jener Menschen
sollen noch enger geschnallt werden. Vor allem
jene von Kindern, welche fast die Hälfte der Menschen ausmachen,
welche die Essensmarken bekommen. Und da immer wieder Leute,
die lange Zeit keinen Job fanden, aus der Arbeitslosen-Statistik
raus fielen, sagt auch die angeführte
Zahl der Arbeitslosen nicht sehr viel aus.
Die
Kürzungen sollen Menschen dazu bringen,
nicht auf Kosten des Staates zu leben
- so die Argumentation. Doch viele,
die Essensmarken bekommen, haben sogar eine
Arbeit - allein wird diese so schlecht
bezahlt, dass es nicht wenigen
gar nicht möglich wäre, ohne Staatshilfe
zu überleben, bzw. ihren Kindern
genügend Essen auf den Tisch
zu stellen. Bedenkt man, dass die Schwelle, für einen
Anspruch auf das Essensprogramm
bei knapp über 2000 Dollar Einkommen pro Monat für eine
dreiköpfige Familie liegt, so lässt sich schnell ausrechnen,
dass hier kaum jemand voll
die Sause macht.
Doch genau das ist der Eindruck,
der von rechts erweckt wird. Während
sie jedes Steuerschlupfloch für die Superreichen verteidigen, als ginge es
um den Kampf gegen die
Nazis, wird alles gemacht, um Arme noch ärmer zu
machen. Kinder, die hungrig
sind, können schlechter lernen, werden schlechtere Job-Aussichten haben und im Endeffekt wieder
arm sein. Zudem sind solche Kinder anfälliger für Krankheiten. Und wenn die Eltern keine Arbeit
haben, ist die Chance
gross, dass diese nicht einmal über
das Geld verfügen, um die Kinder richtig
bei einem Arzt behandeln zu lassen. Und damit dies so bleibt, torpedieren die gleichen Republikaner derzeit ja auch noch
mit allen Mitteln die Gesundheitsreform von
Obama.
Dass diese Feinde der Kinder, die auf die
Welt gekommen sind, gleichzeitig die Rechte der Ungeborenen bis hin zur
Zygote mit dem gleichen Fanatismus verteidigen, mit dem sie jene
der Geborenen bekämpfen, zeigt vor allem auf, dass zumindest bei mentalen Krankheiten
nicht einmal die den Politikern zur Verfügung stehende Gesundheitsversorgung in den USA immer
zu greifen vermag.
Da sich der ganze Wahnsinn
vor der durch
die gleichen Fanatiker verursachten, drohenden Zahlungsunfähigkeit der USA abspielt, wird dieser Nebenkriegsschauplatz hier fast nicht wahrgenommen. Doch er zeigt auf, in welche Richtung das angeblich konservative (destruktive wäre zutreffender) Lager driftet. Hier zeigt sich,
dass es in den Augen dieser Politiker
und ihrer Wähler nicht um Politik, sondern um Krieg, nicht um Kompromisse sondern um Sieg und Niederlage, nicht um das Steuern eines Staates in die Zukunft sondern um die Rückkehr in eine nie existente Vergangenheit
geht.
Dabei sind die
Tea-Party-Republikaner willens,
über Leichen zu gehen, denn
sie sehen ihre vor allem
weisse, protestantische, heterosexuelle und von Männern dominierte Welt in Gefahr. Es ist schon beinahe
ein Stammesdenken, dass diese Kreise
lenkt. Soziologen haben festgestellt, dass Tea-Party-Anhänger sich bedroht fühlen
und es eine ihrer grössten Ängste ist, dass
soziale Gruppen, die in ihrer Sicht niedriger
stehen, gefördert werden oder sogar
aufsteigen könnten. Vor dem Hintergrund
eines demographischen Wandels der USA, welche die dominierenden Weissen in absehbarer Zeit zur Minderheit
werden lässt, ist die Panik jener,
die ihre Identität in Rasse und überlieferter sozialer Position verorten, durchaus nachvollziehbar.
So
ist es denn
auch nicht verwunderlich, wenn das Aushungern von Kindern für diese Volksvertreter
nicht nur akzeptabel sondern erstrebenswert ist. Handelt es sich
dabei doch nicht um ihre Kinder, sondern um jene der Leute, von denen sie sich
bedroht fühlen. So ist die Motivation der Kinder- Behinderten- und Arme-Leute-Verhungerer
aus Washington und jener,
die sie wählen vor allem die Paranoia vor dem, was uns
Menschen seit jeher begleitet: Wandel und von dem her führen sie einen
ebenso grausamen wie aussichtslosen Kampf.