Es geht um Furcht
und Hass
Montag, 14. Mai 2012
Letzte Woche hat der US-Präsident Barack Obama zur allgemeinen Überraschung bekannt gegeben, dass er seinen abwartenden Standpunkt aufgebe und für das Erlauben der gleichgeschlechtlichen Ehe sei. Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten.
Beinahe schon satirisch war jene von Bristol Palin, der Tochter der Ex-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin, die ja auch regelmässig mit ihrem Intellekt auf... äh, abfällt. Obama hatte in seinem Interview ausgeführt, dass ihm seine Töchter Sasha und Malia die Augen geöffnet hätten, da diese Freunde hätten, die von gleichgeschlechtlichen Paaren erzogen würden, die Mädchen diesen Zustand als völlig normal betrachteten und dass sie es nicht begreifen würden, warum man diese Leute anders behandeln sollte als «normale» Eltern.
Bristol Palin musste darauf scheinbar folgendes sagen (weil sie offensichtlich einfach nicht ihre Klappe halten kann): «Es ist ja schön, wenn man den Ideen seiner Kinder zuhört. Aber manchmal müssen Papas einfach Papas sein. Es wäre hilfreich gewesen, hätte er Malia und Sasha erklärt, dass die Eltern ihrer Freunde sicher wunderbare Menschen seien, dies aber kein Grund sei, die seit tausenden Jahren währenden Gedanken über die Ehe zu ändern. Oder das - egal wie glücklich ihre Freunde auch sein mögen - wir wissen, dass Kinder besser in einem Vater/Mutter Haushalt aufwachsen. Idealerweise helfen Väter den Kindern ihre Sicht auf die Welt zu formen.»
Um die wahre Ironie zu erfassen, ist es hilfreich zu wissen, dass Bristol Palin die Tochter einer ultrareligiösen Mutter ist, Teenager-Keuschheit propagiert und mit 18 Jahren selbst einen ausserehelichen Sohn auf die Welt gebracht hat, den sie nun alleine erzieht, da sie in einem konstanten rechtlichen Streit mit dem Vater des Kindes steht. Ja ... das ist sicher viel besser, als jenes Modell, dass diese bigotte Heuchlerin so lauthals bekämpft.
Doch die Palins (auch deren Mutter) sind nur kleine Lichter in der US-Politik, selbst wenn ihre Aussage genau den Quatsch reflektiert, der nun von rechts auf Obama abgefeuert wird. Mitt Romney, der mormonische Präsidentschaftskandidat der Republikaner betonte bei einer Rede an der evangelikalen «Liberty University» in Lynchburg, dass die Ehe zwischen «einem Mann und einer Frau» geschlossen werde. Entzückend, dies von einem Mann zu hören, unter dessen Vorfahren - logischerweise, denn dies war ein Merkmal der Mormonen - diverse Bigamisten zu finden sind, die aus diesem Grund sogar nach Mexiko geflüchtet waren.
Und dann sind da natürlich noch (wie auch bei uns, wenn es wieder um dieses Thema geht), die ganzen anderen Bigottisten und Heuchler, die von der «heiligen Institution» reden vom «Kindswohl» und all den anderen Dingen, die ihnen herzlich egal sind, wenn sie sie nicht als Knüppel gegen Menschen mit einem «anderen» Leben benutzen können. Und wenn diese Argumente nicht reichen, kommt immer noch der Gag mit der «Eingetragenen Partnerschaft» und warum diese denn nicht reiche.
Vielleicht, weil dies diskriminierend ist? Man mache nur mal die Gegenprobe und sage, dass Katholiken (oder welche Religion sie auch einsetzen wollen) an Universitäten keine Doktortitel mehr bekämen, sondern nur noch «eingetragene Studienabschlüsse». Wäre das diskriminierend? Den Argumentation betreffend der «eingetragenen Partnerschaft» nach, nicht. Denn es ist das Gleiche, einfach mit anderem Namen. Also, lasst uns das machen!
Die ganze Diskussion ist völlig, absolut lächerlich. Die religiöse Argumentation gehört eh auf den Müll; ansonsten müssten Christen vor Hummer-Restaurants Sturm laufen und Teenager-Kinder, die sie im Streit beschimpfen, umbringen. Die bronzezeitliche Rechtsprechung eines Nomadenstammes funktioniert schon lange nicht mehr.
Wenn wir das mal aus dem Weg haben, kommt das Vater-Mutter-Argument. In einer Zeit, in der Kinder eine etwas über 50% liegende Chance haben, nicht in einem Scheidungs-Streit als Kanonenfutter für die Mamas und Papas verheizt zu werden, wäre ein friedliches, gleichgeschlechtliches Elternhaus einem heterosexuellen Schlachtfeld gegenüber vermutlich vorzuziehen. Nicht dass der Frieden dort garantiert wäre. Aber das Geschlecht der Eltern ist nicht relevant, wenn es sich um ein sich und die Kinder liebendes Paar handelt.
Dass viele der Kommentatoren (wie vor einiger Zeit einer in der unterdessen auf FOX-News-Niveau angekommenen Weltwoche) selbst keine gleichgeschlechtlichen Paare kennen und diesen dann ähnliche Attribute (unersättliche Sexual-Lust, unsteter Lebenswandel, amoralisches Verhalten) nachsagen, welche lange Zeit dazu dienten, Beziehungen von weissen Frauen mit schwarzen Männern schlecht zu machen, zeigt, woher der Wind wohl weht: Aus dem Lager jener, die alles, was anders ist, fürchten und hassen.
Wer sich also nicht auf der Seite eines barbarischen Massenmörders wie Robert Mugabe, der Obamas Aussagen eben als die «schlimmste Form des Satanismus» bezeichnet hat, finden will, sollte allenfalls mal über die Bücher gehen und sich überlegen, was ihn/sie denn wirklich so daran stört, wenn Menschen ohne irgendwem zu schaden, glücklicher sein könnten.
(Patrik Etschmayer/news.ch)