Zwei Seligsprechungen
2. Mai 2011
In den letzten
24 Stunden haben uns zwei Gesichter
aus der Vergangenheit
eingeholt und fast schon überrollt. Zuerst Karol Wojtyła, besser bekannt als Johannes Paul II, der selig gesprochen
wurde und danach Osama Bin
Laden, der Terrorfürst, welcher 2001 dem neuen Jahrzehnt seinen terroristischen Stempel aufgedrückt hat und in
Pakistan von Navy-Seals getötet wurde.
Für manche Leute
stellen die beiden die entferntesten Pole der menschlichen Existenz dar. Für andere
hingegen gelten der Held des Katholizismus und der Fürst der
Finsternis als unheimliche Brüder im Geiste. Der Autor muss bekennen, dass er eher
zu der letzteren
Gruppe gehört.
Sowohl Bin Laden als auch Wojtyła standen für kompromisslosen
Glauben und den Kampf gegen die Gottlosen, wobei sie sich
aber völlig unterschiedlicher Mittel bedienten, was aber nicht zuletzt mit
ihrer Position zusammen hing, wobei Bin Laden sich immer nur
auf eine zahlenmässig kleine Gruppe stützen
konnte, mit der er - erfolglos
- versuchte, einen globalen Umsturz auszulösen.
Der Terror eines Bin Ladens und der von ihm inspirierten
Al Kaida war und ist - wie es sich
gerade wieder in Marokko gezeigt hat - rücksichtslos und blind, was die einzelnen
Opfer angeht, aber doch grausam
berechnend in dem davon ausgehenden Hass, bestimmte Menschengruppen wahllos zu treffen.
Dieses wahllose
Gemetzel, das mit dem Anschlag
auf das World Trade Center seinen
Höhepunkt gefunden hatte, und danach auf der ganzen Welt immer wieder nachgeahmt
wurde und wird, wird noch lange
direkt mit dem Milliardärssohn Bin Laden untrennbar verbunden sein, auch wenn
er schon seit Jahren eigentlich
nur noch ein flüchtender Verbrecher war, der seinen schwindenden Einfluss in der Welt durch Internet-Botschaften an
seine Fans retten wollte.
Doch wie gestrig
er ist, zeigt
sich in den ganzen arabischen Demokratie-Bewegungen,
welche die Fundamentalisten
links überholt haben und diese zu hilflosen
Möchtegern-Trittbrettfahrern degradierten.
Eigentlich konnte den nierenkranken Alt-Terroristen
fast nur noch sein Tod durch
die Amerikaner vor dem Verschwinden in der historischen Mottenkiste retten.
Karol Wojtyła
hingegen wurde von einer scheinbar noch wachsenden Schar Fans im Eilverfahren
selig gesprochen und wer den Publicity-Erfolg dieser Veranstaltung gesehen hat und weiss, wie notwendig für
die katholische Kirche
Propaganda ist, der weiss auch,
dass die Heiligsprechung
hinter der nächsten Ecke steht.
Der Kampf
des Polen gegen den Kommunismus und die Unterstützung
der Gewerkschaft Solidarnosc, welche unter ihm aus
dem Vatikan massive Unterstützung erhielt, werden dem polnischen
Papst noch heute hoch angerechnet.
Dass diese Unterstützung allerdings mit Betrügereien, Morden, faschistischen Geheimorden und Kriminellen zustande kam - der Banco Ambrosiano
Skandal lässt grüssen - wird in der momentanen Berichterstattung gnädig vergessen. Wojtyła agierte im Stil
eines eiskalten Machtpolitikers, der ohne Skrupel die Ziele seiner Parei
verfolgte. Dass zwei wichtige Figuren,
die hätten Auspacken können, ermordet wurden (Roberto Calvi und Michele
Sindona), ist dabei bezeichnend.
Noch absurder wird die Seligsprechung im Angesichts der
Tatsache, dass dank der strikten Verdammung
von Präservativen zur AIDS-Prävention und gar der vom Vatikan propagierten
Lüge, diese Verhüterli würden die Sexualkrankheit sogar noch verbreiten, vermutlich tausende, wenn nicht gar zehntausende Menschen gestorben sind. Mithin mehr, als Bin Laden umbringen konnte. Ganz abgesehen von der
so mitgeförderten Bevölkerungsexplosion,
welche Afrika stark belastet - und sicher auch im Sinn des Fundamentalisten Bin Laden gewesen
wäre.
Paradox auch
die Tatsache, dass die Missbrauchs-Krise, in der die Kirche gegenwärtig steckt und aus der sie sich
unter anderem mit der Seligsprechung
von Wojtyła auch befreien will, ihr von ihm selbst mit
eingebrockt wurde, als er am 30. April
2001 einen Brief unterzeichnete,
der bestätigte, dass Missbrauchsfälle in der Kirche nicht
den eigentlich zuständigen Behörden übergeben, sondern durch katholischen
Verantwortliche an die Kongregation
des Glaubens im Vatikan weiter geleitet werden und der päpstlichen Schweigepflicht unterliegen sollen. Dort wurden die Fälle denn auch in der
Tiefe des Vatikans begraben - unter der Leitung von Joseph Kardinal Ratzinger, dem Nachfolger von Wojtyła auf dem Papstsessel. Dass die Sache umso hässlicher explodierte hat die die Beatifikation des «Papstes der Herzen» umso
wichtiger gemacht.
Womit das Paradox wohl wieder eine gewisse
Logik verliehen bekommt. Und die Vergangenheit eine
schlüssige Fortsetzung in der Gegenwart.
Genau dies hat nun auch die USA geschafft. Die Genugtuung, Bin
Laden umgebracht zu haben ist begreiflich
und sicher auch ein Trumpf für
Obama im nächsten Wahlkampf. Doch strategisch hätte es vermutlich mehr
genutzt, den kranken Terrorfürsten mit vergifteten Medikamenten umzubringen, wenn es schon Staatsräson
war, statt eines ordentlichen Prozesses eine Assasination durch zu führen
und so den vorgeblich verteidigten
Rechtsstaat ad absurdum zu führen. Allerdings wäre dies an der
«Heimatfront» kaum propagandistisch auswertbar gewesen.