Basierend auf einer wahren Geschichte?
28. Feb 2011
So, jetzt
haben wir es: Die Oscars sind wieder durch genudelt
worden und das Stotterdrama «The King's Speech» hat in allen
wichtigen Kategorien abgeräumt.
Und ja,
Colin Firth musste fast den Oscar bekommen,
weil er letztes
Jahr mit seiner brillanten Performance in
«A Single Man» an Jeff Bridges gescheitert war... wobei Bridges auch dieses Jahr wieder auf der Liste stand. Während dieser im letzten Jahr
einen versoffenen Countrysänger gespielt hatte und dieses Jahr einen versoffenen Ranger, scheiterte Firth 2010 mit seiner Darstellung eines schwulen Mannes, der am Verlust seiner grossen Liebe zerbricht
und Selbstmord begeht.
Was uns
sehr schön zeigt, wie die Hackordnung in Hollywood aussieht:
Stotternder Kronprinz schlägt Alkoholiker, der sich aufrafft
und der schlägt wiederum einen suizidalen Schwulen. Was irgendwie doch wieder schön ist,
denn das heisst, dass schwul
zu sein in Hollywood unterdessen ein kleineres Stigma als Alkoholismus zu sein scheint.
Was in Hollywood hingegen pathologisiert wird, sind offensichtlich
Leute mit Vorstellungskraft. Denn, seien wir doch
ehrlich: Müssen es immer Filme
sein, die auf einer «wahren Geschichte» beruhen? Scheinbar schon. Schauen wir doch
mal kurz die diesjährigen
Oscar-Gewinner an: Da wäre
mal «The King's Speech», für die nicht
nur Colin Firth, als bester
Hauptdarsteller ausgezeichnet
wurde, sondern der gleich auch
noch für die beste Regie, das
beste Drehbuch und als bester Film ausgezeichnet wurde.
Ein wenig viel.
Man soll den Autor jetzt nicht missverstehen,
aber das Verfassen eines Drehbuchs, dass auf einer wahren Geschichte beruht, besteht vor allem daraus,
der «Wahrheit» den richtigen Dreh zu geben, um aus
einer allenfalls sperrigen Sache, ein in zwei Stunden
gut im Kino vermittelbares Produkt zu generieren.
Das kreative Moment besteht dabei zum
grössten Teil darin, den Produzenten und dem Studio zu gefallen
und sich – falls Betroffene
noch leben sollten – nicht den Zorn der dargestellten Personen (oder derer Verwandten) zuzuziehen... falls dies politisch
nicht opportun wäre (bei einer
Saddam Hussein Biographie wäre
das natürlich kein Problem).
Der Stempel
«wahre Geschichte» verleiht
einem Film in den Augen vieler sofort ein
Gewicht, das reine Fiktion nicht
hat. Was aber ein schwerer Irrtum ist. Denn weder
sind die wahren Geschichten wirklich wahr, noch vermögen
sie, etwas Neues, Ungesehenes zu vermitteln.
Die von Hollywood so favorisierten und belohnten Aufgüsse der Realität
wie «King's Speech», «The Fighter» und «Social
Network», bieten jeweils nichts, das nicht
schon bekannt ist und sind bestenfalls
(wie bei «Social Network») aktuell. Ansonsten taugen sie bestenfalls
als Erbauungsmaterial oder zur Abschreckung.
Filme wie «The Kids are All
Right», in dem neue gesellschaftliche Entwicklungen beleuchtet werden, «Inception», der mit ein
paar technischen Oscars abgespeist wurde und eine irre Reise
durch das innere des Geistes zeigt, oder «Black Swan», wobei bei diesem
Psycho(sen)-Thriller wenigstens
Natalie Portman belohnt wurde,
wurden fast systematisch
von den 'kreativen' Oscars verbannt
und die Botschaft lautet in
etwa: Wenn es nicht wirklich
passiert ist, dann ist es
auch nicht eines Oscar würdig.
Dabei ist gerade
das, was erst passiert, was kommen wird, von entscheidender Wichtigkeit, das was sich die kreativsten Vorzustellen vermögen. Wie wäre es
gewesen, hätte ein Schreiber eine Vision der Einflüsse nieder
geschrieben und verfilmt,
die «Facebook» und «Twitter» auf die Welt (jenseits der USA) haben würden, der Film hätte auch «The Social Network» heissen können und «The King's
Speech» hätte auch einem Film über einen vom wütenden
Volk bedrängten Despoten als Titel gut angestanden.
Solche Filme könnten
zwar nicht von sich behaupten, auf wahren Geschichten zu beruhen. Aber
dafür würden sie wahre Geschichten
zu erzählen. Doch daran... daran
ist Hollywood momentan nicht interessiert.