Wenn süsse Lügen gezwitschert werden

 

Patrik Etschmayer

 

21. Feb 2011

 

In den friedlichen Revolutionen von Tunesien und Ägypten spielten Tweets, die über die Mitteilungsplattform Twitter verbreiteten Nachrichten, eine wichtige Rolle in der Mobilisierung der Massen und der schnellen Verbreitung wichtiger Ereignissepraktisch in Echtzeit.

 

Diese Art der Kommunikation ist in den Händen von Politi-Aktivisten ein mächtiges Werkzeug, Menschen zu bewegen, aktiv zu werden. Doch in den Händen von Gross-Firmen können Tweets genau so gut als Propaganda-Mittel im Kampf um die öffentliche Meinung benutzt werden. Wie von BP.

 

Erinnern Sie sich noch? Da ist doch im letzten Jahr irgend eine Bohrinsel explodiert. Und danach, ja was passierte da? Ölpest, genau. Obwohl, es war ja eher Ölvergiftung, ein Ölanschlag auf die Natur. Ölpest klingt so epidemieartig und unausweichlich. Es wurde auf der Ölbohrplattform an Sicherheits-Massnahmen gespart, dem Zeitdruck zuliebe wurden Abkürzungen genommen. Verhängnisvolle Abkürzungen. Das Resultat war eine gigantische Ölkatastrophe.

 

Doch schon kurz nach dem Dichten der Quelle konnte man in konservativen Publikationen lesen: Alles halb so schlimm! Das Öl verschwinde von selbst ganz, ganz schnell, Ölfressende Bakterien hätten eine wahre Party und am Schluss werde die Ölpest für den Golf von Mexiko gar positiv gewesen sein. Dazu zahle BP allen geschädigten ganz schnell ganz viel Geld.

 

So eine explodierte Bohrinsel muss, bekam man irgendwie den Eindruck, etwas ganz Tolles sein. Und BP will diesen Eindruck weiter vermitteln und tweetet seit Monaten enthusiastisch darüber, wie toll die Aufräum-Arbeiten gingen, wie sauber das Wasser, wie schön die Strände und wie schmackhaft Fische und Seafood aus dem Golf von Mexiko seien.

 

«Neue Studie stellt fest, dass Bakterien das ganze Methan des ausgetretenen Öls schneller als erwartet gegessen haben Toll, nicht? Nur nicht so toll, dass jene Spezialisten, die konstant den Golf auf die Auswirkungen untersuchen, anderer Meinung sind und die führende Spezialistin, die Marine-Biologin Samantha Joye der Universität von Georgia meinte, dass es viel wahrscheinlicher sei, dass sich die im Wasser befindliche Ölwolke weiter bewegt habe und die Messungen schlicht und ergreifend am falschen Ort – unmittelbar bei dem gedichteten Ölleckstattgefunden hatte.

 

Was zudem den Abbau des Öls im Wasser und Meeresgrund angeht, stellte Frau Joye sogar fest, dass dieser langsamer als erwartet vor sich ginge und nicht schneller, wie dies ein von BP unterstützter Forscher zuvor einmal behauptet hatte.

 

Doch wofür die Links in einem Tweet folgen, wenn die reduzierte Wahrheit doch so schön ist. Mindestens so schön wie die Strände des Golfs im BP-Tweet: «BP Aufräum-Arbeiten laufen wie geplant ab mit dem Ziel, die Strände auf die Touristen-Saison hin gereinigt zu haben – Die Strände sind wunderschön

 

Yes! Das wollen wir hören, oder? Alles gut und die Studenten werden feiern wie die Wilden... solange sie nicht in den Sand rein graben, denn an manchen Orten befindet sich immer noch Öl darunter. Und selbst dort, wo der Sand jetzt wieder sauber ist, gibt so mancher Geschäftsinhaber auf: Nach einem leeren Sommer fehlen nun auch die Buchungen für das Frühjahr.

 

Doch warum? BP übernimmt doch alle Schäden, nicht wahr? Vielleicht weil es nicht reicht, die Links zu Entschädigungsformularen zu tweeten, wenn diese, ausgefüllt und eingereicht, nur sehr langsam bearbeitet werden. Es ist natürlich gut und recht, wenn betont wird, dass sichergestellt werden muss, dass niemand übervorteilt und niemand bevorzugt wird. Doch wer je eine Firma besass, weiss, dass 10 Monate ohne Einkommen auch ein solides Geschäft zerstören. Und wenn jemand erst mal pleite und ruiniert ist, besteht auch eine gute Chance, dass der um keinen Schadenersatz mehr kämpfen wird.

 

Ebenfalls interessant dürfte die Sicherheit der Meeresfrüchte und Fische sein, die Momentan aus dem Golf gefischt werden. So ist noch gar nicht klar, welche Giftstoffe sich entwickeln können. So wird offiziell zwar nach den sogenannten PAK's (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffen) gesucht und stolz getweetet, dass der Seafood des Golfs der 'sicherste' sei, den es gibt, weil er so streng getestet werde. Aber andere Tests, die nicht von der Regierung durchgeführt werden, entdecken langkettige Kohlenwasserstoffe, nach denen scheinbar gar nicht richtig gesucht wurde und zwar in Konzentrationen, die zu Leberschäden führen können, wobei aber die Auswirkungen auf Menschen relativ unklar ist. Und diese Unklarheit wird denn auch als Argument benutzt, nichts weiter zu machen und es darauf an kommen zu lassen.

 

Was natürlich nicht getweetet wird. Aber warum auch: Süsse Lügen und Halbwahrheiten lassen sich viel angenehmer zwitschern und sind sicher besser als die nackte Wahrheit geeignet, wenn es darum geht, die Story zu den eigenen Gunsten umzuschreiben.