Im radikalen Schwitzkasten
von Patrik Etschmayer
August 23, 2010
Es wäre
eine sehr schlechte Idee, wenn es denn
wahr wäre: Es soll eine Moschee
am Ground Zero gebaut werden.
Ja, man kann sagen, dass dies das Blödste wäre, das sich machen liesse.
Selbst wenn die Erbauer das Recht dazu hätten.
Doch der momentane
Streit hat drei Haken: zum einen
soll das umstrittene Bauwerk nicht am Ground Zero, dem ehemaligen Standort der WTC-Zwillingstürme zu stehen kommen, sondern zwei Blocks entfernt. Zudem soll dies keine Moschee geben, sondern ein muslimisches
Gemeindezentrum mit einem Gebetsraum drin. Aber auch
ein Restaurant, eine Bühne, ein Fitness-Center, ein Schwimmbad, ein Basketballfeld und diverse andere Einrichtungen sollen gebaut werden,
Einrichtungen, die das Gebäude
als Moschee an sich disqualifizieren. Das
Argument, dass jedes Gebäude mit einem
islamischen Gebetsraum eine Moschee sei,
konnte man mitunter auch hören... nur,
dann wäre also auch das Pentagon eine Moschee. Interessante Idee. Zum dritten
Haken kommen wir später.
Trotzdem ist bei
den Gegnern der Einrichtung immer von der «Ground Zero Mosque» die Rede
und wenn speziell Leute wie Sarah Palin und Newt
Gingrich protestieren, wird
die Sache kritisch. Denn der lockere
Umgang dieser Leute mit den Tatsachen
ist allgemein bekannt und deren Neigung, alles extrem zu emotionalisieren,
ist einer Debatte nicht unbedingt
dienlich.
Der Bau
würde einen Stich in die Herzen aller Familien der unschuldigen Opfer sein, ist
so ein klassischer Palin-Ein- und Ausfall. Unter anderem auch,
weil sie damit sagt, dass
es auch schuldige
Opfer gegeben hat. Ob sie die beim Anschlag
im World Trade Center arbeitenden
Nicht-Christen damit meinte? Denn es
fielen den Idioten in den Flugzeugen ja auch
Muslime, Juden, Buddhisten und Atheisten zum Opfer, Leute,
die Palin als «un-amerikanisch»
betrachtet, die nicht zum «echten Amerika»
gehören.
Ein weiteres Palin-Zitat (das sie auf ihrem populären Twitter-Feed veröffentlichte), bringt uns zum dritten
Haken an der Sache: «Wir wissen
alle, dass sie das Recht haben,
es zu machen,
aber sollen sie auch?» Palin sagt es im
ersten Teil ihres Tweets völlig richtig: Das «Community Center» darf
gebaut werden. Es ist rechtens. Und das ist in einem Rechtsstaat
entscheidend. Das Projekt
«Park51» soll mit privaten Geldern finanziert auf privatem Grund errichtet werden. Fertig. Die Frage, ob sie es
auch sollen, ist hingegen eine
Anmassung.
Die Meinung
des Autors, ob generell religiöse Stätten gebaut werden sollen,
ist ja längst
bekannt: Wenn statt der ganzen
Kirchen, Synagogen, Tempel und Moscheen Schulen und Bildungszentren errichtet würden, wäre die Welt meiner Meinung nach eine
bessere. Doch diese Meinung ist
in einer pluralistischen, freien Gesellschaft nicht relevant, solange sie nicht zum
allgemeinen Konsens und Gesetz wird. Und es gibt für
Präsident Obama, ob er es nun will oder nicht, keinen legalen
Weg, das Vorhaben zu stoppen – mit
welchem rechtlichen
Argument sollen den bitte Leute davon abgehalten
werden, sich an die Gesetze zu halten?
Der Vorwurf,
das Vorhaben sei geschmacklos, ist extrem subjektiv und gefährlich – vor allem für Mitglieder
anderer (a-)religiöser Minderheiten, die sich auch in den Protest eingeschaltet
haben, und die rechten
Christen bei dem Versuch, Recht zu beugen, unterstützen.
Ein «Ground-Zero»-Gesetz, basierend auf solch subjektiven Kriterien, könnte dazu führen,
dass es irgendwann
verboten wäre, ein naturhistorisches Museum in der Nähe einer Kirche
zu bauen, weil die darin vertretene wissenschaftliche Denkweise für Gläubige
abstossend sei.
Es ist
aber genau die Rechtsgleichheit, welche die westliche Kultur auszeichnen sollte. Und wer das Gemeinschaftszentrum verhindern will, muss demnach Dinge finden, die rechtlich relevant sind. Gerüchte einer illegalen Finanzierung, zum Beispiel. Wenn
an denen was dran ist, nur zu
– Gelder von Terrorfreunden
im Baubudget würde das Projekt schneller töten, als man «Ground Zero» sagen kann.
Ob es
für jene, die das Zentrum bauen wollen,
nicht weiser wäre, einen weiter
entfernten Ort zu wählen, ist eine
berechtigte Frage, doch eine, die sie selbst beantworten
müssen. Zudem stellt sich dann
noch eine andere: Wie weit
weg ist genug
weit weg: Vier Blocks, acht oder sechzehn? Überhaupt nicht in Manhattan? Die
Diskussion würde kaum so schnell verstummen und ja, dieses Zentrum könnte durchaus kontraproduktiv sein. Doch dies ist nicht das Thema,
so schwer es auch fällt, sich
emotional davon zu lösen.
Ein Ziel der
Terroristen war es, die
Welt unfreier zu machen, den Westen dazu zu bringen,
durch die erzeugte Angst
und Wut, die eigenen Freiheiten zu beschränken. Dieses Projekt und die Reaktionen darauf zeigen, wie extreme Islamisten und
Christen in ihrem gegenseitigen
Hass es schaffen, die
moderate Mehrheit in ihren radikalen Schwitzkasten zu nehmen, um die einst hart erkämpfte Freiheit zu ersticken.