Rio enttäuscht die Hoffnungen

 

Samstag, 23. Juni

 

Kommentar von Markus Hofmann

 

Eine eigenartige Uno-Konferenz ist zu Ende gegangen. Bevor sie begann, war die Debatte bereits vorbei. Unter der cleveren diplomatischen Führung Brasiliens lag bereits nach den letzten Vorverhandlungen das 50-seitige Dokument «Die Zukunft, die wir wollen» auf dem Tisch. Die über 100 Staats- und Regierungschefs, die nach Rio reisten, liessen das Papier unverändert. Keiner ging das Risiko ein, den Kompromiss aufs Spiel zu setzen. Brasilien wollte das Chaos der Klimakonferenz von 2009 in Kopenhagen vermeiden, als Staatsoberhäupter nächtelang über einzelne Wörter gestritten hatten. Das ist gelungen. Aber man versteht den Ärger der Nichtregierungsorganisationen, die mit Tausenden von Sympathisanten in Rio anwesend waren. Ihnen war es versagt, auf die Verhandlungen der Regierenden Einfluss zu nehmen, da gar keine Verhandlungen mehr stattfanden.

 

Zudem lasteten grosse Erwartungen auf der Konferenz, die mit dem Erdgipfel in Rio de Janeiro von 1992 verbunden waren. Vor zwanzig Jahren wurden wichtige Entscheide zur nachhaltigen Entwicklung gefällt, die bis heute Bestand haben. Viele hofften, die Staatengemeinschaft werde zwanzig Jahre später darauf aufbauen und weitergehende Schritte beschliessen. Sie wurden schwer enttäuscht. «Rio+20» war zwar kein Rückschritt. Aber die Konferenz trug auch nicht dazu bei, die Welt unweigerlich auf einen nachhaltigeren Pfad zu führen, der dringend einzuschlagen wäre. Es wurden keine neuen Verpflichtungen eingegangen, die helfen würden, Hunger und Armut zu reduzieren, die Treibhausgasemissionen zu senken oder den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen.

 

Doch bei aller Unverbindlichkeit des neuen Dokuments finden sich darin Keime positiver Veränderungen. Sie müssen nun zum Spriessen gebracht werden. Hervorzuheben sind die globalen Nachhaltigkeitsziele. Um sie zu konkretisieren und umzusetzen, sind in den nächsten Jahren aber deutlich grössere Anstrengungen erforderlich, als sie die Staaten in Rio zeigten.