Diplomatischer Blechschaden

 

von Patrik Etschmayer

 

Donnerstag, 1. Oktober 2009

 

Die Schweiz sei einst eine diplomatische Grossmacht gewesen, heisst es. Dezent, zurückhaltend, effektiv, ein Land, das verstand, grosse Dinge geräuschlos in Bewegung zu setzen. Das hat sich in den letzten Jahren krass geändert. Nun werden vor allem kleine Dinge mit riesigem Getöse im Sand festgefahren. Die letzte Spitzenleistung ist die Verhaftung des französich-polnischen Regisseurs Roman Polanski bei seiner Einreise in Zürich.

 

Im Zusammenhang mit diesem medialen Supercoup unseres Justiz-Ministeriums müssen zwei Dinge klar getrennt werden.

 

Zum Einen die juristische und moralische Seite des Falles. Polanski ist seit 30 Jahren auf der Flucht. Nicht vor einem Unrechtsregime sondern vor einem Geschworenengericht in den USA aufgrund eines sehr unappetitlichen Vergehens, der Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens. Anderweitige Meriten eines Täters sind dabei völlig unwichtig, ja, es ist nicht einmal entscheidend, ob das Opfer dem Täter unterdessen vergeben hat und die Tat schon lange her ist. Das befand ja auch das Schweizer Stimmvolk, als es vor einem knappen Jahr mit 52% der abgegebenen Stimmen eine Initiative, die die Unverjährbarkeit solcher Straftaten forderte, an nahm.

 

Daher handelte die Schweizer Justiz nicht nur im Sinne der US-Strafbehörden und deren internationalem Haftbefehl, sondern auch in dem der Schweizer Bevölkerung, was scheinbar auch durch Meinungsumfragen bestätigt wird, in denen zwei Drittel der Befragten finden, dass Polanski zu Recht eingebuchtet wurde.

 

In diesem Belang ist also alles in Ordnung und man kann formaljuristisch und moralisch der Schweiz keinen Vorwurf machen... dies Betreffend des «zum Einen»-Teils. Zum Anderen hingegen muss man sich fragen, warum sich die offizielle Schweiz diesen Ärger einbrockt, und Polanski an ein von dem Bundesamt für Kultur gesponserten Anlass einlud und nicht über diplomatische Kanäle Frankreich wissen liess, dass für solche hoch-offiziellen Anlässe Gäste, die mit einem internationalem Haftbefehl gesucht werden, mit gewissen Problemen zu rechnen hätten. Stattdessen wurde Polanski erst indirekt von der Schweizer Regierung eingeladen um dann von der selben Regierung (aber einem anderen Ministerium) in den USA verpfiffen zu werden.

 

Das ganze noch absurder macht die Tatsache, dass Polanski ein Ferienhaus in Gstaad besitzt, dass er scheinbar auch öfters benutzte und in dem er nie von Schweizer Justizorganen behelligt wurde. Dass im Angesicht dieser Fakten im Ausland der Eindruck entstanden ist, gewisse Schweizer Justizkreise hätten Polanski eine Falle gestellt und gegenüber den USA lieb Kind spielen wollen, kann da nicht verwundern.

 

Charles de Gaulle sagte einmal, dass ein Staat, der seinem Namen gerecht werde, keine Freunde habenur Interessen. Kein sehr schöner, aber ein richtiger Ausspruch. Aus dieser Perspektive dürfte die Affäre Polanski zu einer Hypothek für die Schweiz werden. Den Interessen der Schweiz ist am besten gedient, wenn sie als dezenter, zuverlässiger Partner wahrgenommen wird, der grossen Trubel auf dem internationalem Parkett vermeidet, wie wenn man Polanskis Einreise zum Beispiel im Vorfeld des Besuchs dezent blockiert hätte.

 

Von den USA grosse Dankbarkeit zu erwarten, ist absurd: Wie schon vielfach betont, erfüllt die Schweiz nur eine Pflicht, einen Vertrag. Dafür gibt es keine Bonuspunkte. Die öffentliche Meinung in Frankreich und Polen hingegen schlägt hohe Wellen und irgend eine Retourkutsche darf erwartet werden, sei dies nun bei Verhandlungen um die bilateralen Verträge oder bei anderen wirtschaftlichen, kulturellen oder politischen Geschäften mit diesen Ländern.

 

Der Schweizer Politik ist in den letzten Jahren das Bewusstsein abhanden gekommen, dass für einen Kleinstaat wie uns, keine News die besten News sind. Stattdessen hat Bern schon wieder einen diplomatischen Auffahrunfall verursacht. Ganz egal wie recht wir auch haben: auf diesem Blechschaden werden wir sitzen bleiben.