Der
letzte Megastar?
von Patrik Etschmayer
Montag, 29. Juni 2009
Seit Michael Jackson, seines Zeichens
Ausserirdischer, König des
Pop und was sonst noch, das
Zeitliche gesegnet hat, überschlagen sich die Kommentatoren allerorten. Ja, es kommt
sogar zum Coming-out nicht weniger Schreiber, die gestehen, dass sie vor 25 Jahren
mit einem weissen Handschuh vor dem Spiegel den Moonwalk geübt hätten, während
im Hintergrund «Billy Jean»
aus den Lautsprechern plärrte.
Andere behaupten, dass es keinen Haushalt
gäbe, in dem kein Michael Jackson-Tonträger vorhanden sei – zumindest bei jenen,
die in den 80er Jahren ihre
formative Zeit durchlebten und irgendwie
an Musik interessiert gewesen seien.
Dieser Brustton der Überzeugung, in dem diese Behauptungen
und Bekenntnisse zum «King
of Pop» - zu dem er von seiner Freundin Elizabeth
Taylor ernannt worden war -
vorgebracht wurden, liess im Autor
dieser Zeilen den Glauben aufkommen, dass er und nicht
Jackson ein Freak gewesen ist.
Nun steht
es einem nicht zu, über
einen Menschen, den man bestenfalls aus zweit- und dritthändigen Informationen kennt, zu urteilen und es soll deshalb
bei der Feststellung
bleiben, das Michael Jackson meist
etwas exzentrisch und instabil schien.
Auch was die Musik angeht, überlässt der Autor das Urteil
jenen, die momentan in einem wahren Begeisterungstaumel
durch die Feuilletons und Kulturspalten
rotieren, vor einer Woche aber
noch mit hämischer Vorfreude auf eine Katastrophe bei den Comeback-Konzerten in
London gewartet hatten.
Das ganze
um den Tod dieses Mannes veranstaltete
Tohuwabohu zeigt vor allem, dass
Jackson für alle möglichen Leute eine Projektionsfigur war, der einige tolle
Hits gemacht hatte und scheinbar mit dem
ganzen Ruhm nicht fertig wurde.
Was kaum
erwähnt wird, ist, dass Jackson zusammen mit anderen
Giganten der 80er Jahre wie Prince, Madonna und U2
den Untergang der Musikindustrie eingeleitet hat, wie sie damals
bekannt war. Natürlich gibt die Industrie vor allem den Torrent- und anderen File-Share-Netzwerken die
Schuld an ihren momentanen Nöten (die nun scheinbar mit massenhaften
Verkäufen von Jackson-Platten
etwas gemildert werden). Doch ein
anderer Grund ist in den schrecklichen
80ern und 90ern zu suchen.
Die damaligen
Mega-Millionen-Deals leiteten
nämlich endgültig das Zeitalter der Musikanwälte
und -vermarkter ein. Bis in die 80er Jahre war das Pop-Musikgeschäft eine nicht sehr professionelle
Sache, die viele zufälligen Stars und Sternchen aber auch eine
Vielfalt von Musikstilen hervorbrachte. Es war alles ziemlich chaotisch aber auch irgendwie
liebenswürdig. Natürlich
gab es auch schon damals Abscheulichkeiten
(Googeln Sie mal «Bay City
Rollers»), aber es wirkte alles doch
noch irgendwie real und Talente hatten auch ohne positive Marketing-Analysen eine Chance, entdeckt zu werden
und einige Platten heraus zu bringen.
Doch dann kamen
die 80er und 90er und aus Superstars wurden Megastars mit Plattenverträgen wie jenem von Jackson 1991 von über 65
Millionen Dollar. Musik ist spätestens zu dieser Zeit vom Kultur- zu
einem Industrieprodukt mutiert, das zwar immer noch von Künstlern produziert, von den entscheidenden Leuten im Management der Plattenfirmen aber nicht mehr als
Kunst betrachtetet wurde.
Die Kampagnen
für neue Alben dieser Superstars glichen eher dem
Launch einer neuen Cola. Es
waren nur noch Kennzahlen und schneller Return on Investment von Wichtigkeit,
künstlerischer Mut und
Innovation eher hinderlich,
da Fans von einer Platte angeblich – wie von einer Limo – ein bestimmtes Aroma erwarteten.
An diesem
Wahnsinn zerbrachen manche Künstler: Jackson schien langsam den Verstand zu verlieren,
sein grosser «Gegenspieler»
Prince gab sogar seinen Namen temporär auf, weil er nicht
mehr mit den vertraglichen Zwängen klar kam, während
Madonna scheinbar ihre Persönlichkeit in einem Säurebad der ständigen
Selbst-Neu-Erfindung aufgelöst
hat
Die momentane
Musikindustrie-Krise kann durchaus mit der
Krise gewisser Autofirmen verglichen werden. Der Glaube,
immer grössere Produkte, die einfach
mehr vom selben bedeuteten, würden den Markt befriedigen, versagte irgendwann. Als es dann möglich
wurde, Alben zwar illegal aber schnell und kostenlos irgendwo runter zu laden, hatten nur wenige das Gefühl, damit einem
Künstler etwas weg zu nehmen
– man sah nur die Mega-Medien-Konzerne, die ihr
Superstars mit Lastwagenladungen
Geld zuschütteten.
Jackson war dabei ein extrem
sichtbares Symbol für all
das, was mit dem Musikgeschäft im Argen lag. Wie vielfach läutete
ein weit herum sichtbarer Exzess den Niedergang ein. Eigentlich war nur noch eine
technologische Entwicklung notwendig und als
diese da war, krachte es.
Die neue
Netzkultur könnte eine viel grössere
Individualisierung des Musikgeschmackes
mit sich bringen und gleichzeitig die Plattenfirmen entmachten. Es kann durchaus sein,
dass mit Michael Jackson der letzte Megastar des Musikgeschäftes gestorben ist und mit ihm
nicht nur ein talentierter, wenn auch vom
Leben brutal behandelter Musiker, sondern auch vieles von dem, das ihn am Ende zerstört hat, zu Grabe getragen
wird.