Obamas Verkaufstour
von Patrik Etschmayer
Donnerstag, 4. Juni 2009
Die letzten
Monate - eigentlich seit dem Tag seines Amtsantrittes - waren für Barack Obama eine höllische Zeit. Wo
er auch hin
kam, bröckelte und bröselte es, und teilweise stürzten gar ganze Wände ein.
Das Erbe der Bush-Ära war so vielfältig wie desaströs: Lausiges diplomatisches Image wo man auch hinschaut,
angeschlagene Binnenwirtschaft,
kollabierte Finanzwirtschaft,
Firmenpleiten, Arbeitslosigkeit,
explodierende Defizite und ein Krisengebiet im Nahen und Mittleren
Osten, das immer weniger stabil zu sein scheint.
Es geht
den USA momentan wie es General Motors vor einiger Zeit gegangen ist: Man ist zwar
noch die grösste Macht am Markt, aber die Abnehmer wenden sich allmählich
von den angebotenen Produkten
ab, da sie
nicht mehr attraktiv und zeitgemäss scheinen, während Konkurrenten ohne Hemmungen Marktanteile wegschnappen. Die Marke «USA» hat
böse Kratzer abbekommen.
Die Parallelen
gehen weiter: Ex-Präsident Bush und Ex-GM-Chef Rick Wagoner verfolgten ähnliche Taktiken beim Versuch,
Terrain zu halten oder gar zurück
zu gewinnen. Wagoner ruinierte GM, indem er Autos, für die es keinen Markt
mehr gab, mit Verlust bringenden Rabatten verscheuerte. Bush versuchte, seinen Einfluss auf die Welt mit militärischer Macht ohne Verständnis jener, die er zu
beglücken trachtete, zu etablieren.
Der Triumph der US-Ideologie nach dem Zweiten Weltkrieg
war nicht zuletzt auf die mit den USA verbundenen positiven Assoziationen zurück zu führen.
Das Produkt Amerika
war attraktiv und anziehend.
Mit dem Land verbündet zu sein, barg
das Versprechen, irgendwann
auch in einer chromglänzenden Glitzerwelt zu leben.
Doch dieses Begehren ist - genau
so wie der Status eines Cadillac als Traumauto - längst untergegangen. Stattdessen herrscht gegenüber den USA ein generelles Unbehagen, gilt das Land als aggressiv, finanziell marode, Heimat der Weltwirtschaftskrise
und teil-autistisch, wenn es um die Befindlichkeiten anderer Länder und Kulturkreise geht.
Diese Marke muss Obama nun wieder auf dem Weltmarkt der Politik
aufstellen, will er nicht, dass den USA die Felle davon schwimmen.
Und ein entscheidender Ort für diese Polit-Marketing-Offensive
ist der
Nahe Osten. Hier kommen die erbittertesten Feinde der USA her, hier sind die USA zusammen
mit Verbündeten in die meisten Konflikte verwickelt, hier hat George W. Bush
am meisten Geschirr zerschlagen.
Wie umkämpft dieser Politmarkt ist, zeigt sich
schon daran, dass Osama bin Laden, seines Zeichens
Nischenanbieter in Sachen Politik und Terror, sich im Vorfeld von Obamas Rede in Kairo genötigt sah, sich per Video-Botschaft zu Wort
zu melden. Der Inhalt war keine Überraschung, aber schon die Tatsache, dass Bin Laden sich meldete, zeigt,
dass er Obama gewisse Erfolgschancen einräumt.
Und hier beginnt eben
auch der grosse Unterschied zu General Motors. Obama kann, wie er das auch
schon im Zusammenhang mit Guantanamo schmerzhaft feststellen musste, nicht einfach
neu anfangen. Während der Autoriese
in die Insolvenz geht und
seine schlechten Marken nach China und sonst wohin verhökert, kann Obama nicht einfach seine Krisenherde abstossen oder
aufgeben.
Der erste Eiertanz
dürfte das Etablieren einer neuen Beziehung
mit der arabischen
Welt sein, ohne Israel allzu sehr auf die Zehen zu treten.
Als nächstes
muss er, ohne das Gesicht zu verlieren,
irgendwie an die Iraner ran
kommen, um diese von der A-Bombe abzubringen. Danach muss das - schon seit dem Abtritt
von Bush - wesentlich entspanntere
Verhältnis mit Europa neu aufgegleist
und im Fernen Osten der irre
Kim mit seiner Bombe zur
Raison gebracht werden. Und
dies alles vor dem Hintergrund einer globalen Rezession.
Doch wie überall
fängt der Wandel auch hier
in den Köpfen an und Obama könnte
es schaffen, den USA wenigstens etwas von jenem Glanz zurück
zu geben, etwas von jener Aura, die diese grossartige Idee einer Nation einst so anziehend gemacht hat. Wenn er das schafft, dann ist
ihm fast alles zuzutrauen: Vielleicht kann er sogar
Chevrolet wieder zu einem guten Namen
verhelfen.