Die
Festung wackelt
von Patrik Etschmayer / Montag,
23. Februar 2009
Erst
war es nur Rhetorik, dann wurde der Druck grösser und jetzt bröselt das Bollwerk Bankgeheimnis schon ganz erheblich. Und es dürfte
nur eine Frage der Zeit sein, bis es Vergangenheit sein wird.
Die Herausgabe der Kundendaten an die Steuerbehörden der USA von letzter
Woche war der eigentliche Startschuss, war der berühmte Anfang vom Ende.
Am Wochenende kam der nächste Schlag: Beim EU-Gipfel in Berlin wurde bekannt gegeben,
dass Europa vorhabe, alle Finanzmärkte,
-produkte und Akteure lückenlos zu kontrollieren,
um das Vertrauen in die Märkte
wieder herzustellen.
Dazu gehöre auch
Härte gegenüber all jenen, «die unkooperativ sind - ob das Steueroasen sind oder Gebiete,
in denen intransparente Geschäfte gemacht werden», wie es
die deutsche Kanzlerin Merkel ausdrückte.
Sie sagte zwar nichts von einer Peitsche, aber die fast abstrakte Art dieser Ankündigung wirkt noch bedrohlicher
als die Hau
drauf-Rhetorik ihres Finanzministers.
Im Gegensatz zu Steinbrücks Ausbruch kommt hier nämlich eine langfristige,
offenbar auch mit anderen EU-Staaten abgesprochene Strategie zum Ausdruck,
einheitliche Regeln und Instrumente für einen internationalen Kapitalmarkt zu implementieren. Dabei könnten Sie
bei den USA durchaus auf offene
Ohren treffen, wenn am 2. April das nächste
G-20-Treffen in London stattfinden wird.
Die momentane Krise wirkt dabei
wie ein Katalysator,
der die Reaktion gegen Steueroasen dramatisch beschleunigt. Zum Einen, weil momentan
gigantische Summen an Steuergeldern für Notprogramme aufgewendet werden und jeder Dollar und jeder Euro, der den Finanzministern
durch Steuerhinterziehung
und -betrug entgeht, doppelt schmerzt. Doch noch wichtiger
dürfte die Tatsache sein, dass sowohl
viele der Steuerflüchtlinge,
als auch viele der darin involvierten Banken auch als Nutzniesser
oder gar Mitverursacher der
Krise betrachtet, oder zumindest so dargestellt werden.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand «Sündenbock»
rief. Auch wenn es die USA und ihre Abkehr von der Produktiv-Ökonomie hin zur Konsum-auf-Pump-Wirtschaft sind, die im
Zentrum des ganzen Wirtschafts-Hurricanes stehen, schuldig musste sonst wer sein.
Und es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Off-Shore-Finanzplätze immer wieder auftauchen, wenn es darum
geht, undurchsichtigste Papiere in Umlauf zu bringen und Gelder anzulocken, die angeblich gar nicht existieren, Gewinne abzuschöpfen und sicher vor Steuerbehörden zu deponieren.
Ebenso ist
es eine Tatsache,
dass dem globalen Finanzsystem mit lokalen Regeln nicht mehr beizukommen
ist. Im Rahmen
dieser Globalisierung der Regeln wird es nur eine Frage
der Zeit sein, bis auch die Schweiz einknickt. Denn während hier von 'Erpressung' gesprochen wird, finden die anderen Staaten, dass sie lediglich
die Rechtsstaatlichkeit durchsetzen.
Wenn dabei auf Staaten und Institutionen, welche Rechtsbrechern helfen, Druck ausgeübt
wird, dann scheint dies nur recht und billig.
Zu hoffen, dass
die Schweizer Spitzfindigkeit,
zwischen Steuerhinterziehung
und Steuerbetrug zu unterscheiden, irgendwo offene Ohren finden
wird, ist reines Wunschdenken. Die Absicht, das Bankgeheimnis als
eine Art Faustpfand in die Verhandlungen mit der EU einzubringen, ist womöglich auch schon obsolet: Wenn erst mal koordinierter,
globaler Druck aufgebaut wird, ist das Pfand nichts mehr
wert – gut möglich, dass
die Schweiz ihr Blatt bereits überreizt
hat.
Wie jede Krise wird auch diese dramatische Umwälzungen bringen. Dabei wird das Bankgeheimnis mit grosser Wahrscheinlichkeit auf der Strecke
bleiben – ob uns das gefällt,
oder nicht.
Es wäre jetzt vernünftig, sich auf den Einsturz gefasst zu machen und sich
auf die Zeit danach vorzubereiten.