Pitbull mit Lippenstift
von Patrik Etschmayer
Donnerstag, 4. September 2008
Die Auswahl seines «Running
Mate» überraschte alle. Als John McCain die alaskische Gouverneurin Sarah Palin
als die Vizepräsidentin seiner Wahl vorstellte, waren alle erstaunt. Sarah wer?
Doch schon in kürzester Zeit war dieses dunkle Pferd in der Nacht in grelles
Scheinwerferlicht getaucht und sogar die Schwangerschaft ihrer 17-jährigen
Tochter wurde zu einem grossen Thema – eine Angelegenheit, die eigentlich
Privatsache wäre, wäre sie nicht exemplarisch für die Politik, die Palin
betreibt, wenn es um Sexualaufklärung in Schulen geht.
Doch der Reihe nach. Sarah Palin darf nicht
unterschätzt werden. Sie trat vor zwei Jahren als Bürgermeisterin gegen den
Parteikollegen und Amtsinhaber Frank Murkowski an und schlug diesen, der in
diverse Fälle von Korruption und Vetternwirtschaft verstrickt war (vor allem,
nachdem er seine Tochter als Ersatz für ihn in den Senat geschickt hatte,
nachdem er selbst 2002 als Gouverneur gewählt worden war) in den parteiinternen
Vorwahlen um den Gouverneursposten.
Zuvor schon hatte Palin als Bürgermeisterin
der Gemeinde Wasilia auf sich aufmerksam gemacht, wo sie in dem an sich
parteilosen Posten mit republikanischer Unterstützung ganz klar republikanische
Politik machte. Schon damals fiel sie durch eine Linie, die mit «my way or the
highway» bezeichnet werden könnte, auf. Leute, die nicht voll auf ihrer Linie
waren, wurden gefeuert. Andererseits hatte sie Erfolge mit Steuersenkungen,
Lohnreduktionen – ihren eigenen mit eingeschlossen – und dem erfolgreichen
Lobbying um Staatsgelder für ihre Gemeinde.
Der erfolgreiche Populismus ihrer
Bürgermeisterjahre zeichnet auch ihre Amtszeit als Governeurin aus. Als sich
zum Beispiel abzeichnete, dass die in den USA berüchtigte «Brücke nach
Nirgendwo», eine Brücke, die eine Fährverbindung zu einem Flughafen ersetzen sollte
und bei geschätzten 1000 Fahrten pro Tag mehr als der Neubau einer
Golden-Gate-Brücke gekostet hätte, keine Bundesfinanzierung mehr bekommen
würde, wandte sie sich von diesem Projekt ab und wandelte sich von der
Unterstützerin zur Gegnerin der Brücke... was sie zum ersten Mal auch in den
Dunstkreis von John McCain, einem der Anführer der Brückengegner, brachte.
Doch in Alaska ist sie weiterhin sehr
populär: Sondersteuern für Ölfirmen, ein aus dem momentanen Ölpreishoch
resultierender Budgetüberschuss und Schecks für die Bevölkerung aus diesen
Einnahmen (1200.-- US$ für jeden Bewohner Alaskas), lassen ihre Beliebtheit in
der Bevölkerung ungebrochen sein.
Wenn es um das Durchsetzen ihrer Ziele geht,
hat Palin keine Skrupel, auch schon mal gegen die eigene Partei zu handeln und
für eine bestimmte Sache mit Demokraten zusammen zu spannen.
Doch bei vielen Themen ist Sarah Palin der
Darling der Rechts-Konservativen: Sei es beim Umweltschutz (weg damit!),
Feuerwaffen (her damit!), Abtreibungen (pfui!), Irak-Krieg (toll!), Religion
(jajajajaaa!) oder Sexualaufklärung an Schulen (igitt!). Vom Religiösen her
überschreiten ihre Äusserungen mitunter die Grenze des Absurden, wenn Sie zum
Beispiel meint, dass der Bau einer Erdgas-Pipeline Gottes Wille sei oder der
Irak-Krieg nach dem Plan des Allmächtigen ablaufe.
Und wenn Sie jetzt auch das Ganze weglächeln
und schönreden will: Die Schwangerschaft ihrer Tochter – die im Gegensatz zu
vielen anderen schwangeren US-Teenagern in einer finanziell komfortablen Lage
ist – kann als direktes Resultat der abseitigen Sexual-Aufklärungs-Politik
ihrer Mutter und der konservativen Christen gesehen werden, die immer noch
behaupten (trotz klarer Statistiken, die das Gegenteil beweisen), dass
Keuschheitsschwüre Teenager von Sex abhalten.
Es hiess, dass die nächste
Präsidentschaftwahl ein Kampf um die Wähler der Mitte sein würde. Sarah Palin,
die von sich selbst meinte, dass sie sich als sogenannte Hockey-Mom von einem
Pitbull nur durch den Lippenstift unterscheide, wird bei diesen nur schwerlich
punkten und die drei Wahlmännerstimmen von Alaska machen das Konto von McCain
auch nicht fett (vor allem, weil diese sowieso fest in republikanischer Hand
sind).
Dies wäre vielleicht nicht allzu schlimm,
wenn sich McCain nicht von der Bush-Alternative, die er einmal war, zum
Bush-Krieger gewandelt hätte und er selbst plötzlich wie ein neo-konservativer
Falke auftreten würde.