Der Tag an dem
den Demokraten Zähne wuchsen
von Patrik Etschmayer / Donnerstag, 28. August 2008
Am Mittwoch war der Abend, vor dem
sich die Demokraten gefürchtet hatten, der Abend, an
dem der designierte
Vizepräsidentschaftskandidat Joe Biden seine Rede halten würde.
Biden ist gefürchtet
– für langfädige und nicht sehr inspirierende
Reden. Oder gar dafür,
von anderen Politikern abzuschreiben.
Vor zwanzig Jahren,
als Biden einen ersten Versuch seinerseits lanciert hatte, Präsidentschaftskandidat zu werden, schrieb
er ziemlich schamlos einen Teil einer Rede
vom britischen Labour-Politiker Neill Kinnock ab, was ihm in der Folge
einiges an Spott, Häme und kurioserweise am Ende auch die Freundschaft
des walisischen Ex-Parteiführers
einbrachte.
Doch Biden war am Mittwoch bissig, aggressiv und bestimmt. Natürlich nicht so fesselnd wie sein
Vor-Sprecher Bill Clinton, der
wie ein Superstar empfangen wurde und es fast nicht schaffte,
seine Rede zu beginnen (und das Publikum für Biden anzuheizen, wie er das selbst
zugab), der ja wohl einer
der begabtesten politischen Redner überhaupt ist.
Biden hat einen Ruf als Spezialist
für die Aussenpolitik und er benutzte diese
Autorität, um John McCain frontal anzugreifen
und den Wert von dessen immer
wieder angeführter Erfahrung in Frage zu stellen. Bis
zu diesem Moment schienen die Demokraten an ihrer klassischen Krankheit zu leiden:
Der Verunsicherung, wenn es zum
richtigen Wahlkampf kommt und dem Widerwillen,
sich den knallhart zuschlagenden Republikanern zu stellen.
Die Frage ist nun, ob Obama dieses Momentum aufnehmen
und John McCain in der heutigen
Rede in die Defensive drängen
kann. Doch dafür muss Obama über den eigenen demokratischen Schatten springen und nicht nur die Schwächen
von McCain angreifen, sondern
auch dessen vermeintliche Stärken. Einer der Slogans der Republikaner, der den Demokraten wirklich weh tut, ist «Not Ready in '08», mit dem genau das gesagt
werden soll... Obama sei nicht bereit,
zu unerfahren und jung für die Präsidentschaft.
Seit Ronald Reagan es schaffte, seine angeschlagene psychische Gesundheit nach dem Anschlag
auf ihn erfolgreich zu vertuschen und das – im Vergleich zu
ihm – jugendliche Alter
seines Mitbewerbers Walter Mondale in der 1984er Wahl als Mangel an Erfahrung hinzustellen, scheint es tabu zu
sein, das hohe Alter eines Kandidaten als Negativ-Attribut zu nennen. Doch der erste Angriff, der das Alter zum Thema macht, kam
aus dem McCain-Lager.
Wenn man McCains zum Teil an den kalten Krieg erinnernde Rhetorik hört und wie er darauf
besteht, dass er nun die Politik des Mannes übernehmen will, der ihn vor 8 Jahren,
als er gegen
Bush um die republikanische Kandidatur
kämpfte, von diesem in einer widerlichen Schmierenkampagne aus dem Rennen geworfen
wurde, sollte der Slogan von Obamas Seite nun lauten: «Not ready
anymore in '08».
Es sieht aus, als wären
den Demokraten endlich wieder Zähne gewachsen.
Mal schauen, ob sie
sich auch trauen werden, mit ihnen zuzubeissen.
Update: Wenn Bill
Clinton einen Nachfolger als fesselnden Redner haben sollte,
dann ist es Obama. Und ja, er hat seine Zähne gezeigt und auch zugebissen... allerdings nur so, dass es
für McCain immer noch möglich wäre,
eine respektvolle Kampagne zu führen,
denn vor allem legte er
dar, was er unter dem Wandel,
den er fordert versteht und das McCain eben für eine Stagnation stehe, die sich die USA nicht mehr leisten
könne. Obama sprach die grossen Themen an – es wird interessant
sein, ob McCain dies auch machen oder weiter
auf persönlichen Angriffe setzen wird.
Ebenfalls interessant war eine Wahlkampfwerbung, in der McCain am gleichen Abend Obama zu seiner Nominierung gratulierte um sie mit den Worten:
Aber morgen sind wir wieder
voll dran («tomorrow we are
gonna be at it again») zu schliessen.
Sieht fast
so aus, als würde weiter gebissen
werden.