Anbiedern in der Megakirche
fest / Montag, 18. August 2008
Dank der
Olympischen Spiele und der Stippvisite der russischen Armee in Georgien ist der
US-Wahlkampf in den hiesigen
Breiten fast untergegangen.
Dabei hat am Samstag eine erste Begegnung
der beiden Kandidaten stattgefunden.
Allerdings nicht in einem richtigen Fernsehstudio und auch nicht zu einer
längeren Debatte miteinander: Obama und McCain begegneten
sich für 36 Sekunden in einer Mega-Kirche in Lake Forrest in Kalifornien
als Obama die Bühne verliess und McCain sie betrat, um sich für eine
Stunde (mit Werbeunterbrechungen) den selben Fragen zu stellen,
die sein Konkurrent eben beantwortet hatte.
«Mega Churches» sind in Europa
praktisch unbekannt. Die fragliche Glaubensfabrik zum Beispiel sieht
aus wie ein
Lagerhaus und fasst etwa 3000 Leute, kann von der Kapazität
her mit den grössten europäischen Kirchen konkurrieren. Deren Pastor, Rick
Warren, hat einen Glaubensbestseller
geschrieben, mit dem dieser schon
Millionen verdient hat. Glauben ist
in den USA keine Privatsache.
Und da es die christlich-konservativen Wähler geschafft haben, sich als entscheidende
Kraft bei Wahlen darzustellen, biedern sich amerikanische Politiker bei jeder
Gelegenheit bei dieser Wählerschaft an.
Rick Warren stellte beiden Fragen, die fundamentale
US-Christen interessieren. Das ging
von den Bundesrichtern über
Abtreibung, Homo-Ehe und Steuer-Gutschriften für Arme bis zu
persönlichen Fragen, wie deren grösste
moralische Verfehlungen in ihrem Leben. Dabei
machte es sich McCain, der in vergangenen Zeiten durchaus als
Abtreibungsbefürworter und rechts-liberaler
Politiker auffiel, recht einfach. Lediglich wenn es um die Stammzellenforschung ging, entsprachen seine Ansichten nicht dem, was seine christlichen Zuschauer hören wollten.
Ansonsten biederte sich McCain an, wo
er nur konnte:
Sei es die Abtreibungsdebatte oder die liberale Haltung von Bundesrichtern – immer konnte er sich
des Applauses des konservativen Publikums
sicher sein. Obama machte es
sich da etwas
schwerer. Immer wieder lösten seine Antworten ein Raunen
im Publikum aus, wie etwa
seine Ansichten, dass gewisse Formen der Homosexuellen-Partnerschaft genau wie Abtreibungen
weiter legal sein sollten.
Die Tatsache,
dass ausgerechnet an einem solchen Ort, mit einem solchen
Befrager und vor einem solchen Publikum
die Kandidaten die ersten Pflöcke ihrer Präsidentschaftskampagne
einschlagen, zeigt, dass die evangelikalen
US-Christen ihre Ansprüche,
auch politische Macht zu werden,
immer besser durchzusetzen wissen und man kann sich fragen,
wann weitere Versuche stattfinden werden, die Schranken zwischen Staat und Religion weiter aufzuweichen.
Wie abseitig diese ganze Angelegenheit
ist, zeigte
sich als sich McCain für das Bohren nach Öl
vor der US-Küste stark machte und dafür von den christlichen Konservativen bejubelt wurde. Dieses Publikum, das zum grössten Teil
daran glaubt, dass die Erde 6000 Jahre alt ist, bejubelte also das Vorhaben, nach Bodenschätzen zu suchen, die während Jahrmillionen aus noch älteren
organischen Überresten prähistorischer Lebewesen gebildet wurden.
Die Tatsache, dass sich ein
künftiger US-Präsident bei einem solchen
Forum anbiedern muss, verleiht
der Weltpolitik eindeutig einen Unterton der Surrealität...