Der stille Skandal

 

Von Peter Riesbeck

 

In Deutschland mag sich kaum jemand über die Wünsche des US-Geheimdienstes NSA, das deutsche G-10-Gesetz abzuändern, wundern. Die britische GCHQ hat gar Telekomfirmen für den Mehraufwand beim Lauschen entschädigt.

 

BRÜSSEL  Mit der Empörung ist es mitunter merkwürdig. Man empört sich liebend gern über andere. Als im vergangenen Jahr zum Beispiel bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst NSA unerlaubterweise auch am Mobiltelefon der Kanzlerin mithörte, da erklärte Angela Merkel: „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht.“ Jetzt hat der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in einer Stellungnahme an den NSA-Untersuchungsausschuss des Europaparlaments gleich mehrere EU-Staaten der willigen Komplizenschaft bezichtigt. Aber es bleibt merkwürdig ruhig. „Das legt den Verdacht nahe, dass hier etwas unterschlagen werden soll. Die Bundesregierung stiehlt sich aus ihrer Verantwortung“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Jan Albrecht der Frankfurter Rundschau.

 

Deutschland, die Niederlande und Schweden hätten ihre nationalen Gesetze so abgeändert, dass die NSA regelkonform mitlauschen konnte, hatte Snowden erklärt und auch das deutsche G-10-Gesetz genannt. Dieses regelt das Post-, Brief und Fernmeldegeheimnis und war 2005 und 2009 novelliert worden. Im vergangenen Jahr hatte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstatin von Notz sich nach einem Zusammenhang zwischen Gesetzesänderung und NSA-Begehren erkundigt. Die Bundesregierung wies dies in ihrer Antwort zurück. Snowden freilich erklärt in seiner Stellungnahme: „Deutschland wurde bedrängt, sein G-10-Gesetz abzuändern, um die NSA zu beruhigen.“

 

Richtig zu beunruhigen scheint dies in Deutschland aber kaum jemanden. „Es bleiben da schon einige Fragen offen, etwa welche Rolle spielte der BND bei den NSA-Aktionen?“, so Albrecht.

 

Das Europaparlament will in dieser Woche seinen Abschlussbericht zum NSA-Skandal verabschieden. Dort sind namentlich auch britische, französische, deutsche, niederländische und schwedische Dienste genannt, die mit den US-Stellen gemeinsam Daten angezapft haben. Die belgische Zeitung Standaard berichte am Montag gar von der bereitwilligen Kooperation von Telekomfirmen mit dem britischen Geheimdienst GCHQ. Der lauscht an Knotenpunkten von Transatlantikkabeln mit. Nach Erkenntnissen einer belgischen Untersuchungskommission wurden Telekombetreiber für etwaigen Mehraufwand sogar entschädigt. Genannt werden British Telecom, Verizon Business, Vodafone Cabel, Global Crossing, Level 3, Viatel und Interoute.

 

Die Geheimdienste fallen in Europa eigentlich unter die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. „Nur, wenn das dazu führt, dass der Nachrichtendienst eines EU-Staates in einem anderen EU-Land Daten abgreift, berührt dies auch die europäische Politik. Wir brauchen gemeinsame Regeln für die Geheimdienstarbeit“, sagt der Grünen-Abgeordnete Jan Albrecht, er fordert die nationalen Parlamente deshalb auf eigne Untersuchungsausschüsse zur NSA einzurichten. „Auch die nationalen Parlamente sind bei der Aufklärung in der Pflicht“, so Albrecht.