Jetzt muss Obama liefern

 

Von HOLGER SCHMALE

 

Danke Amerika, das war eine gute Wahl. Die Welt wartet nun darauf, dass sich der Friedensnobelpreisträger Barack Obama seine Auszeichnung noch verdient.

 

Danke, Amerika. Das war eine gute Wahl. Es gibt viele Gründe, weshalb die Wiederwahl von Barack Obama den USA und der Welt gut tun wird. Einen aber konnte man noch in der Wahlnacht erleben, mit seiner Dankesrede an die Amerikaner. Wenn es noch jemanden gibt, der das Pathos der amerikanischen Idee glaubwürdig und mitreißend formulieren kann, dann ist es dieser Präsident.

 

„The best ist yet to come“, Das Beste liegt noch vor uns, die in diesem Satz liegende Überzeugung ist nicht nur der Kern des unbezwingbaren Optimismus, der das Land immer noch prägt. Es ist auch ein Zitat aus einem Song von Frank Sinatra. In ihm steckt eine Botschaft des schwarzen Präsidenten an das weiße, konservative Amerika: Wir erzählen diese Geschichte weiter, sie ist unsere gemeinsame Geschichte. Wir sind eine Familie, wie Obama an einer anderen Stelle gesagt hat.

 

Nichts brauchen die so zerrissenen, verfeindeten, gespaltenen USA jetzt so sehr wie einen, der das Land an seine alten Ideale erinnert, der versöhnt und wie einst John F. Kennedy verspricht, es zu neuen Ufern zu führen. Das Thema der amerikanischen Familie begleitet Obama durch seine ganze politische Karriere. Schon in seiner ersten großen Rede auf dem Parteitag der Demokraten 2004 begeisterte er die Menschen mit seiner Vision von den Vereinigten Staaten als der einen, vereinten Nation. Er hat dieses Motiv immer wieder aufgenommen, zuletzt noch nach dem katastrophalen Hurrikan „Sandy“.

 

Er hat allerdings auch schon vor vier Jahren, nach seiner ersten Wahl, die eine ähnlich gespaltene Nation hinterließ wie heute, eine Epoche der Versöhnung versprochen. Das gehört zu den nicht wenigen Versprechen, die er nicht hat halten können. Weil er damals zu naiv war, weil er die von seinem Vorgänger George W. Bush zurückgelassene ökonomische, politische und moralische Trümmerlandschaft unterschätzt hat, weil zur Versöhnung immer mindestens zwei gehören. Das besondere an Barack Obama aber ist, dass ihm dennoch nicht die Glaubwürdigkeit abhandengekommen ist. Die Menschen nehmen es ihm immer noch ab, dass er mit seinem oft gezeigten eisernen Willen das Ziel immer und immer wieder anstreben wird.

 

Manche sagen, die US-Bürger hätten Obama mit der Wiederwahl eine zweite Chance gegeben, auch das wäre eine sehr amerikanische Haltung. Doch das klingt so, als habe er seine erste Chance vertan. Das stimmt nicht. Seine Wiederwahl ist womöglich eine noch größere Leistung und historisch gesehen von noch größerer Bedeutung als die erste Wahl vor vier Jahren. Damals profitierte er von der nach den acht verheerenden Bush-Jahren überschäumenden Wechselstimmung im Land. Nun hat er ganz aus eigener Kraft und mit durchaus gemischter Leistungsbilanz gegen einen in den Augen vieler Amerikaner veritablen Herausforderer gewonnen. Er hat dies als Schwarzer geschafft, und damit die USA im noch lange nicht gewonnen Kampf gegen den Rassismus noch ein Stück weiter vorangebracht als vor vier Jahren. Die Afro-Amerikaner und die Latinos haben es ihm gedankt, ihre Stimmen haben ihn zum zweiten Sieg getragen. Die Stärke Obamas aber ist, dass er eben nicht wie in schwarzer Bürgerrechtler auftritt. Und für viele weiße Wähler mag wie vor vier Jahren gegolten haben: Sie gaben ihm ihre Stimme, nicht weil, sondern obwohl er Schwarzer ist.

 

Nun ist er wiedergewählt, und die Probleme sind kaum kleiner geworden. Er führt ein dramatisch überschuldetes und in vielen Bereichen marodes Land, die Republikaner beherrschen immer noch das Parlament, und der brodelnde Nahe Osten bedarf dringend einer Friedensstrategie, die nur in und mit den USA entwickelt werden kann. Die Welt wartet darauf, dass sich der Friedensnobelpreisträger Barack Obama seine Auszeichnung noch verdient. Das sind keine Aufgaben für einen Kleinmütigen. Und doch kann Barack Obama nach diesem Wahlsieg zwar mit weniger Euphorie als vor vier Jahren, aber mit mehr Realismus und Selbstvertrauen in seine zweite Amtszeit gehen.

 

Der Präsident hat in seiner Rede in eindrucksvollen Worten seine Vision der USA umschrieben, die er als starkes und selbstbewusstes Land beschreibt, das sich dem Frieden, der Freiheit und Würde für alle Menschen verpflichtet fühlt. Er sprach von einem großzügigen, weltoffenen, mitfühlenden und toleranten Amerika, in dem jeder die Chance erhalten soll, alles zu schaffen, wenn er nur will. Er hat damit noch einmal deutlich gemacht, vor welcher Wahl die Bürger gestanden haben. Denn diese Vision ist ein Gegenentwurf zu dem Amerika, für das Mitt Romney und die Republikaner heute stehen, eines, das vor allem das Recht des Stärkeren kennt. Die Bürger haben eine gute Wahl getroffen. Danke, Amerika.