Nicht von Angst geleitet
Von
Dietmar Ostermann
Seit dem nur
knapp gescheiterten Flugzeuganschlag von Detroit wird
exemplarisch der Unterschied zwischen Barack Obama
und seinem Amtsvorgänger deutlich. Zwar dauerte es auch
am 11. September 2001 eine gefühlte
Ewigkeit, bis George W.
Bush in einer Grundschule
in Florida das Kinderbuch "The Pet Goat" aus der Hand legte,
nachdem ihm sein Stabschef ins Ohr geraunt hatte,
das Land werde angegriffen.
Nach sieben langen
Schreckminuten aber ging es sieben
Jahre in die Vollen: Tot oder lebendig, mit uns oder
gegen uns, Krieg gegen den Terror, Krieg gegen den
Irak, Folter, Guantanamo.
Harte Worte, harte Taten, keine Rücksichten.
Obama war mit
einer anderen Maxime angetreten. Der neue Präsident
wollte zeigen, dass bei der
Abwehr terroristischer Bedrohungen Amerikas Sicherheit und Amerikas Werte kein Widerspruch
seien. Er verbot Folter, kündigte die Schließung des Schandflecks Guantánamo an, reichte
der muslimischen Welt die
Hand.
Naiv und gefährlich sei das, höhnten seine Gegner in den USA. "Er gibt nicht zu,
dass wir im Krieg sind", schäumte Dick Cheney, weil die neue Regierung das unsinnige Unwort vom "Krieg gegen den
Terror" entsorgte.
Vom Krieg aber sprach auch Obama sehr wohl, vom
ersten Tag an. Als er im Dezember
den Friedensnobelpreis entgegennahm,
hielt Obama eine Rede über den gerechten
Krieg. "Das Böse existiert
in der Welt", lautete der Kernsatz. Das klang nach Bush. Doch Obama leitet daraus kein Recht
auf willkürliche Kriege
her. Er gab dem Gegner einen Namen:
El Kaida, das Terrornetzwerk
des Osama bin Laden.
Der Unterschied ist mehr als
Semantik - selbst wenn jetzt 30 000 weitere GI"s nach Afghanistan ausrücken und
US-Drohnen von Jemen bis Pakistan noch immer auch Unschuldige
töten: Obamas Krieg gegen El Kaida ist ein anderer
als Bushs diffus universeller "Krieg gegen den Terror".
Dieser Unterschied wird auch deutlich,
seit Umar Farouk Abdulmutallab am 25. Dezember kurz vor
der Landung in Detroit einen in seiner Unterhose versteckten Sprengsatz zünden wollte. Gewiss: Ein George W. Bush hätte kaum wie
Obama drei Tage zu dem Anschlagsversuch
geschwiegen. Womöglich wären der US-Nation starke Sprüche lieber gewesen als eine Regierung,
die zumindest anfangs den Eindruck erweckte, den Vorfall herunterspielen zu wollen.
Mehr Sicherheit aber hätte das nicht bedeutet. Die US-Geheimdienste haben wieder einmal peinlichst
versagt, das aber offenbart vor allem
verfehlte Reformen und falsche Prioritäten der Bush-Ära. Obama hat zu Recht darauf
hingewiesen, die US-Regierung
habe über hinreichend Informationen verfügt, das Komplott zu stoppen, das Puzzle aber nicht zusammengesetzt.
Im Grunde reagiert
Obama so, wie eine Regierung nach einem nur durch
Glück gescheiterten Terroranschlag reagieren muss: Er lässt Fehler
analysieren, Sicherheitslücken
prüfen, Kontrollen verschärfen. Man kann fragen, warum sich
Reisende aus 14 Staaten systematisch Leibesvisitationen unterziehen müssen, von denen 13 mehrheitlich muslimische Länder sind.
Oder warum
die Abschiebung von Guantánamo-Häftlingen
in den Jemen gestoppt wird, wenn selbst
US-Gerichte ihre Entlassung anordnen. Nicht vorwerfen aber kann man Obama blinde Vergeltung. Anders als Bush macht dieser US-Präsident keine Politik mit
der Angst.