Auf Sieges(säulen)kurs

 

ECKART D. STRATENSCHULTE

 

Barack Obama will in dieser Woche nach Berlin kommen und eine bedeutende Rede halten. Das ist schon deshalb schön, weil in Berlin viele unbedeutende Reden zu hören sind und ein bisschen Abwechslung nottut. Dabei ist völlig klar, dass Obamas Interesse an dem Auftritt nicht nur darin besteht, das Berliner Ferienprogramm anzureichern, sondern vor allem Wahlkampfwerbung zu Hause zu machen. Deshalb ist auch die "location" wichtig.

 

Eigentlich wollte Obama vors Brandenburger Tor, das hat nicht geklappt. Das Tor ist zwar keineswegs, wie behauptet wurde, nur Staatsgästen vorbehalten. Tatsächlich finden dort dauernd irgendwelche Werbeveranstaltungen statt und außerdem steht da die US-Botschaft. Aber George W. Bush hatte in dieser Sache unsere Kanzlerin beim G8-Gipfel in Japan grimmig angeguckt, deshalb geht es nicht.

 

Das mag den Kandidaten im Augenblick ärgern, kann ihn aber perspektivisch freuen: Die hochgezogene Augenbraue eines US-Präsidenten führt bei deutschen Spitzenpolitikern zu weitgehenden Verrenkungen. Wenn das schon bei Bush so ist, stehen die Chancen für einen Präsidenten Obama gut, allein durch Mimik europäische Angelegenheiten zu dirigieren.

 

Nun ist mit der Siegessäule auch ein guter Platz für seinen Auftritt gefunden. Er muss nur die Bezüge ins richtige Licht setzen. Zuerst einmal steht die Säule für den Sieg - das ist ja kein schlechtes Omen für einen Wahlkämpfer. Genau gesagt erinnert sie sogar an drei Siege, allerdings militärische. Wenn er darauf in seiner Rede eingeht, kann er Afghanistan und Irak erwähnen - und hat noch einen Sieg frei.

 

Auf der Säule thront die Viktoria. Sie wiegt 35 Tonnen, aber da ist das Eiserne Kreuz schon inklusive. Schließlich wollen die amerikanischen Zuschauer ja auch was für Deutschland Typisches sehen. Auf Viktorias Helm sitzt das amerikanische Wappentier, ein Adler, was es ermöglicht, das transatlantische Verhältnis unaufdringlich ins Bild zu setzen. In Berlin wird die Viktoria liebevoll "Goldelse" genannt., dank einer Fortsetzungsgeschichte in der Zeitschrift "Die Gartenlaube". Hier kann Obama die Volksverbundenheit ins Spiel bringen. Im Gesicht erinnert die Figur übrigens erstaunlich an die Tochter des ausführenden Bildhauers Drake, was ein gutes Beispiel dafür ist, dass man langfristig Spuren in der Geschichte hinterlassen kann.

 

Um die Siegessäule herum ist viel Platz für Zuhörer, denn sie steht ja mitten im Tiergarten. Hierfür sollte Obama Adolf Hitler ein bisschen dankbar sein. Er hat die Siegessäule nämlich dorthin bringen lassen, und zwar im Zuge seiner Pläne zur Gestaltung der Welthauptstadt Germania. Vorher stand das Monument vor dem Reichstagsgebäude. Dort hätte der Wahlkämpfer aus Amerika es mit dem Grünflächenamt des Stadtbezirks Mitte zu tun bekommen und das ist noch nickeliger als Angela Merkel.

 

Die Siegessäule steht zudem für Toleranz, sie ist die Namenspatronin für ein Berliner Schwulenmagazin. Dieser Bezug wird Obama die amerikanischen Wähler in Scharen zutreiben.

 

Alles in allem ist die Siegessäule also ein Standort voller Symbolik. Das wird den demokratischen Hoffnungsträger sicherlich anregen, schon einmal zu überlegen, wo er seine deutschen Gäste auftreten lassen wird, wenn er erst Präsident ist. Angela Merkel kann sich schon freuen.

 

Professor Eckart D. Stratenschulte leitet die Europäische Akademie in Berlin.