Der nächste JFK

 

Von Dietmar Ostermann

 

Vor drei Jahren, am 80. Geburtstag von Präsidentenbruder Robert Kennedy, deutete sich der Tabubruch zum ersten Mal an. Über Jahrzehnte hatte der Kennedy-Clan die mit den magischen Initialen JFK verbundene Legende eifersüchtig genährt, gehütet und gepflegt. Stets sorgte Amerikas berühmteste Politdynastie dafür, dass der Griff ins Leere ging, wenn sich mal wieder ein Politiker den Mantel des John F. Kennedy überstreifen wollte. "Senator, Sie sind kein Jack Kennedy" - so wie Familienfreund Lloyd Bentsen 1988 den späteren Vizepräsidenten Dan Quayle abkanzelte, erging es jedem, der die Mythologie um den 35. Präsidenten der USA für sich in Anspruch nehmen wollte. An jenem Tag im Jahre 2005 aber hatte Robert Kennedys Witwe Ethel einen Gastredner geladen, den sie mit warmen Worten vor dem versammelten Clan als "unseren nächsten Präsidenten" präsentierte: Barack Obama.

Am Montag nun folgte, was es bislang nie gab: Edward Kennedy, Senator, JFK-Bruder und aktueller Patriarch des Kennedy-Clans, stellte sich offiziell hinter die Präsidentschaftskandidatur des schwarzen Kollegen aus
Illinois. Bislang hatte sich der einflussreiche Senator aus Massachusetts in den Nominierungskämpfen seiner Partei stets neutral zurückgehalten. Jetzt, berichtet die New York Times, wolle er aggressiv Wahlkampf für Obama machen. Tags zuvor schon hatte in der gleichen Zeitung auch JFK-Tochter Caroline eine Lobeshymne auf Obama angestimmt. Überschrift: "Ein Präsident wie mein Vater".

Die ungewöhnliche doppelte Unterstützung aus dem Hause Kennedy kommt für den derart Geschmeichelten zu einem denkbar günstigen Zeitpunkt. Trotz seines Triumphs in South Carolina am Wochenende liegt Obama in Umfragen in den meisten jener 22 Bundesstaaten, in denen die US-Demokraten am 5. Februar beim "Super Tuesday" Vorwahlen abhalten, hinter Parteirivalin Hillary Clinton zurück.

Wie kein anderer Kandidat lebt er von seinem eigenen Image, mit kraftvoller Rhetorik Träume und Sehnsüchte nach einem besseren Land, einer besseren Zukunft zu wecken. Die symbolisch wichtige Unterstützung aus dem JFK-Clan dürfte Obamas eigene Legendenbildung als "schwarzer Kennedy" nun weiter befeuern. "Manchmal dauert es eine Weile zu erkennen, dass jemand eine besondere Fähigkeit hat, uns an uns selbst glauben zu lassen", schwärmte Caroline Kennedy, "wir haben diese Möglichkeit mit Senator Obama."

Glaubt man den Berichten der US-Medien, dann haben sowohl Obama als auch Hillary Clinton lange um die Gunst der Kennedys gebuhlt. Ersterer suchte schon kurz nach seiner Ankunft im Senat Anfang 2005 Rat und Nähe Edward Kennedys. Auch die
Clintons, die schon seit den 90er Jahren ein freundschaftliches Verhältnis zu dem linken Senatslöwen pflegen, baten früh um dessen Unterstützung im Wahlkampf.

Vor allem aber der aggressive Ton der Clinton-Kampagne soll Edward Kennedy zuletzt verärgert und ins Obama-Lager getrieben haben. Schon vor Wochen hatte er Ex-Präsident Bill Clinton wütend zur Mäßigung aufgefordert. Laut New York Times waren es vor allem jüngere Mitglieder des Clans, die den Patriarchen drängten, sich offen zu Obama zu bekennen. Die Familie allerdings ist gespalten: Drei Kinder des ermordeten Präsidentenbruders Robert Kennedy unterstützen Hillary Clinton.