Lincoln, Kennedy, Obama
Hoffnung und Optimismus sind in den USA mehr als eine
politische Sättigungsbeilage.
Sie bilden die Kraftquelle der Nation. Auch deshalb haben
die Demokraten in Iowa für Barack Obama gestimmt.
Von
Dietmar Ostermann
5.01.2008
Es
kann kein Zufall sein, dass
die beiden Sieger im US-Staat Iowa die gleiche Botschaft hatten: "Change", Wandel,
Veränderung. Wie Donnerhall schallt
das Wort nun durchs Land. Demokraten wie Republikaner gleichermaßen haben beim Auftakt im
langen Präsidentschaftswahlkampf
für jene Kandidaten gestimmt, die am glaubhaftesten einen Neuanfang verkörpern.
Bei den Demokraten ist das Barack
Obama, der junge Hoffnungsträger mit der unglaublichen
Biografie, dem großen Charisma und dem feinen Gespür für
die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen. Es ist keine
andere Politik als die der Iowa-Verliererin Hillary Clinton, die Obama
verspricht. Aber Hoffnung und Optimismus sind in den USA eben mehr als
eine politische Sättigungsbeilage. Sie bilden den inneren Motor, die Kraftquelle der Nation. Alle Präsidenten, die Amerika als
groß verehrt, haben diesen Dynamo in Schwung gesetzt. Lincoln,
Roosevelt, Kennedy: Hoffnung war der
Zaubertrank, den sie dem Land in schwerer Zeit verabreichten. Und schwere Zeiten
durchlebt das Land, so empfinden es viele
Menschen. Da wird dankbar aufgesogen, was anderswo als kitschiges
Pathos, als überkandidelte Luftbeutelei gelten würde. Eine Präsidentschaftskandidatin Angela Merkel
hätte in ihrer nüchtern-sachlichen Art in den Vereinigten
Staaten keine Chance - und
Hillary Clinton muss um ihre jetzt
kämpfen.
Erfahrung, das ist die zweite
Lehre aus Iowa, zählt in diesen Zeiten nicht viel.
Erfahrung hatten Dick
Cheney, Donald Rumsfeld und Colin Powell in rauen Mengen, als sie das
vermeintliche Dream-Team um George W. Bush bildeten. Geendet hat das im Wüstensand
des Irak, wo
die Supermacht bis heute festsitzt. Erfahrung hat auch Hillary Clinton nicht davor bewahrt, der Kriegsermächtigung im Senat zuzustimmen.
Da warnte das Greenhorn Obama längst präzise vor den Folgen der fatalen Entscheidung.
Trotzdem hat Hillary Clinton ihren
Wahlkampf auf ihren Erfahrungsanspruch aufgebaut. Das war immer eine
Hilfskonstruktion, weil es ja
nicht nur um ihre Erfahrung ging. Gemeint war auch Bill Clintons politische Leistung. Die wiegt gewiss schwer
bei den Demokraten, doch Hillary Clinton hat sich so auch zur Kandidatin
der Vergangenheit gemacht. Zurück in die 1990er Jahre aber wollte
ihr die Partei in Iowa nicht folgen.
Es
ist für
Hillary Clintons gewiss eine
bittere Ironie, wenn der tiefe
Wunsch nach einem Neuanfang am Ende der Bush-Ära
jetzt auch ihre Wahlchancen beschädigt. Der Nimbus der Unvermeidlichkeit ist dahin,
einen natürlichen Anspruch auf die Präsidentschaftskandidatur
gibt es nach
dem dritten Platz von Iowa nicht mehr. Will sie das Blatt wenden,
muss Hillary Clinton ihre Bewerbung
um das Weiße Haus neu begründen.
Die
konservative Variante der Hoffnung sieht
deutlich anders
aus als die der Demokraten. Mike Huckabee, ein mittelloser
Nobody aus der Provinz, hat das republikanische Parteiestablishment
geschockt. Anders als Obama stellt der fromme
Mann aus Arkansas nicht nur die alte Hierarchie,
sondern auch die ideologischen Grundfesten seiner Partei in Frage. Um mehrheitsfähig zu werden, haben
die Konservativen die Religiösen
einst in ihr Lager geholt. Jetzt will Huckabee den Koch zum Kellner machen. Aus der Hinwendung zu Gott und einer
wertkonservativen Mittelklasse
soll eine neue Koalition all jener entstehen, die sonntags in die Kirche gehen. Ob die Republikaner
als amerikanische Fundamental-CSU
eine Zukunft haben, darf man bezweifeln. Ausgeschlossen aber ist
nicht, dass Huckabee am Ende Präsidentschaftskandidat wird. Denn auch alle
anderen Bewerber haben sich bislang
kaum als
Klammer einer ausgelaugten Partei und ihrer zerstrittenen Flügel empfohlen. Am Zweitplatzierten Mitt Romney war nur
erfrischend und neu, dass die Wahlkampfmillionen sein Debakel eher
befördert haben.
Wenn der Ruf
nach einem Wandel nun auch die Republikaner ergreift, ob nun mit oder
ohne Huckabee, käme das einer
schallenden Absage an
George W. Bush gleich. Setzt
sich das Signal aus Iowa in anderen Bundesstaaten fort, dann ginge dem Präsidenten
im letzten Amtsjahr auch die eigene Partei von der Fahne. So muss es nicht kommen.
Amerikas Konservative aber haben allen Grund, ihre Zukunft zu
überdenken. In Iowa sind doppelt so viele Demokraten wie Republikaner zum Caucus erschienen. Hoffnung und Optimismus sind vorerst
die Domäne des politischen Gegners.