Achse der Pragmatiker
19.03.2014
Seitdem Putin - noch immer den Zerfall der Sowjetunion betrauernd - zum geopolitischen Rollback geblasen
hat, suchen Washington und Berlin wieder
die enge Abstimmung. Und
das ist gut so.
Von
KLAUS-DIETER FRANKENBERGER
Man
erinnert sich noch gut an diesen Satz: „Das Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“ Groß war im vergangenen
Jahr die Empörung der Bundeskanzlerin darüber, dass der
amerikanische Geheimdienst
NSA offenbar jahrelang ihr Handy überwacht hatte. Diese Empörung
wurden von den allermeisten
Deutschen geteilt; Amerika-Freunde hatten (und haben) einen schweren
Stand. Es wurden zwar keine Abgesänge auf die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit
angestimmt; aber dass es sich
bei den amerikanischen Spähaktivitäten um einen massiven Vertrauensbruch handele, der nicht
leicht zu reparieren sein werde, das war allgemeine Auffassung. Ist es im Grunde
heute noch.
Heute freilich steht der Westen
vor einer geopolitischen Herausforderung, wie er sie
seit dem Ende des Kalten Krieges so noch nicht erlebt hat. Er sieht sich
einem Russland gegenüber, das den Fehdehandschuh
hingeworfen hat und in einem
nationalen Rausch eine Art
„Resowjetisierung light“ betreibt.
Das ist also nicht die Zeit, nachtragend oder gleichgültig zu sein; das ist
die Zeit für eine möglichst enge Zusammenarbeit und Geschlossenheit unter Partnern, selbst wenn die weniger von Empathie beseelt als von pragmatischen Handlungsnotwendigkeiten getrieben
sind.
Kanzlerin Merkel - Obamas
wichtigste Mitspielerin
Deshalb ist es auch kein
Zufall, dass für den amerikanischen Präsidenten Obama Deutschland im Allgemeinen und die Bundeskanzlerin
im Besonderen eine zentrale Rolle
in dieser Krise spielen: Angela Merkel ist seine wichtigste europäische Mitspielerin. Beide haben in den vergangenen Tagen wiederholt miteinander telefoniert, um die Antworten des Westens auf das russische Vorgehen zu koordinieren. Ohne Deutschland geht es nicht, ohne
die Vereinigten Staaten geht es auch
nicht. Es geht nur, wenn beide,
mit den anderen Partnern, ihr Vorgehen
abstimmen; am Besten folgen sie demselben
Drehbuch (wobei dem Präsidenten wie der Kanzlerin
schon klar ist, dass den Bürgern
ihrer Ländern der Sinn ganz und gar nicht nach Konflikteskalation
steht).
Nach dem Ende des Kalten Krieges sorgen sich viele diesseits
und jenseits des Atlantiks,
dass das Band, das den alten
Westen zusammengehalten werde, porös werden
würde. Von einem Kulturbruch mit Amerika war in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Rede. Dann kam der
Irak-Krieg, der dem Zusammenhalt des Westens schwer zusetze; es wurde
wieder schick und kostete ja nicht
viel, Amerika als dumm, töricht
und aggressiv zu denunzieren.
Nach der Phase der fast pathologischen Idolisierung Obamas versetzten die Enthüllungen über die NSA den Vereinigten Staaten einen weiteren
Schlag: Washington, der große Ausspähdämon. Die Vorhersagen über transatlantische Entfremdung und Entzweiung wurden wahr.
Bis der russische Präsident Putin, lamentierend über die Versprechen, welche der Westen angeblich
gebrochen habe, und noch immer den Zerfall der Sowjetunion
betrauernd und von nationaler
Größe träumend, zum geopolitischen Rollback blies. Washington und Deutschland suchen
jedenfalls die enge Abstimmung. Und das ist gut so. Wer weiß, vielleicht
schweißt Putin die fremdelnden
Partner ja dauerhaft zusammen. Diese Partnerschaft ist jedenfalls, wenn es darauf ankommt,
wirklich unentbehrlich.