Futsch ist futsch
Von
Hubert Spiegel
08. Dezember
2008 Wenn die Bosse der amerikanischen Autoindustrie für einen Dollar arbeiten wollen, müssen sich vielleicht auch Nobelpreisträger künftig bescheiden. Denn Alfred Nobels Nachlassverwalter haben sich verspekuliert
und in der Finanzkrise Geld
verloren. Ganz so viel wie in Harvard, wo acht Milliarden
vom Stiftungskapital versenkt wurden, oder wie in der
Ukraine, wo aus Kostengründen die anstehenden Neuwahlen gestrichen werden sollen, dürfte in der Stockholmer
Kasse zwar nicht fehlen, aber
futsch ist futsch, wie Ökonomen
von Weltrang soeben herausgefunden haben.
Wer von Geld nicht ganz so viel versteht,
sollte sich an nüchterne Zahlen
halten: Fünfzig Millionen schwedische Kronen, knapp fünf
Millionen Euro, muss die Nobelstiftung
alljährlich allein für das Preisgeld aufbringen, Getränke und das Geld
fürs Frackreinigen nicht eingerechnet. Diese Summe ist
aus dem Stiftungskapital
zu erwirtschaften, das für 2008 mit umgerechnet
etwa 150 Millionen Euro angegeben wird. Eine Verzinsung von weniger als
vier Prozent hätte also ausgereicht. Aber die Stiftung ist wie
der Rest der Welt, sie wollte mehr.
Dabei hatte Alfred Nobel, ein Mann klarer Worte, in seinem Testament bestimmt, dass sein Vermögen ausschließlich
in „sicheren Wertpapieren“ angelegt werden
sollte.
Hedgefonds
und andere Groschengräber
Mit dem fadenscheinigen
Bankerargument, die Welt habe
sich nun einmal geändert, wurde des Stifters Letzter Wille nach und nach ausgehöhlt. Zuletzt hat die Stiftung sich im Jahr
2004 selbst ermächtigt, auch in Hedgefonds und andere Groschengräber zu investieren. Die Verluste dürften erheblich sein. Jetzt wird in Schweden
gerätselt, wie viel Geld die Preisträger des Jahres 2009 wohl erhalten werden - wenn es denn
überhaupt zur Preisverleihung kommt. Wird kein Geld erwirtschaftet, darf im Prinzip
auch nichts ausgeschüttet werden. Es wäre übrigens nicht
das erste Mal, dass der güldene Nobelpreisgürtel
enger geschnallt werden muss. Zwei Weltkriege und die Depression der
dreißiger Jahre hatten dafür gesorgt,
dass die Preissumme in manchen Jahren um bis zu zwei
Drittel sank. Der Tiefpunkt war 1920 erreicht, als sich Knut Hamsun mit lumpigen 134.100 Kronen begnügen musste - das waren, gemessen an der
Kaufkraft, gerade noch 28 Prozent der ursprünglichen Summe aus dem
Jahr 1901.
Wie man Horace Engdahl kennt, den gefinkelten Generalsekretär der Akademie und erklärten Gegner der amerikanischen
Kultur, dürfte der Plan für den Notfall bereits gefasst sein. Sind die Kassen leer, kann der Literaturnobelpreis
des Jahres 2009 endlich in
die Vereinigten Staaten gehen. Voraussichtliches Preisgeld: ein Dollar.