Der Provokateur von Pjöngjang
Von
Petra Kolonko
28. Mai 2009 Die Welt ist empört,
die Nachbarn sind erschreckt. Selbst Peking verurteilte ungewöhnlich entschieden den Atomtest.
Es mangelt
nicht an harten
Worten: Nordkoreas Atomversuch sei unakzeptabel, stelle eine Gefahr dar
und provoziere. Man müsse
hart reagieren und strenge Maßnahmen ergreifen. Doch womit kann
die Welt Nordkorea noch drohen? Von einem „Regime change“
von außen, wie er zu Beginn
der Bush-Regierung noch erörtert wurde,
ist heute
nicht mehr die Rede, es gibt
nicht viele Optionen.
China
in der Pflicht
Das kommunistische
Land mit seinen 24 Millionen Einwohnern ist isoliert.
Die veralteten Industrieanlagen
produzieren nur das Nötigste, sein Außenhandel ist
minimal. Nordkorea überlebt
dank des Handels mit China
und der Energielieferungen
von dort. Die notwendigen Devisen erwirbt es mit
dem Verkauf von Raketentechnik und aus anderen zweifelhaften Geschäften.
Nordkoreas Handel mit Waren, die für sein Raketen- oder Nuklearprogramm genutzt werden können, unterliegt schon seit dem
ersten Atomtest 2006 UN-Sanktionen. Auch der Handel mit konventionellen Waffen und Luxusgütern ist
beschränkt. Die Sanktionen wurden nach dem
Raketenstart vor einem Monat verschärft;
als zusätzliche
Sanktion ist im Gespräch, Auslandskonten
nordkoreanischer Unternehmen
einzufrieren.
Vor allem China, der wichtigste Wirtschaftspartner Nordkoreas, müsste sich in der Pflicht sehen.
Es könnte seine Unterstützung
für das nordkoreanische
Regime mindern oder
ganz einstellen. Bislang garantiert China das Überleben des früheren kommunistischen Bruderstaates - aus strategischen Überlegungen. Im Falle eines Zusammenbruchs
des Regimes erwartet man Flüchtlingsströme
nach China. Und ein vereintes, demokratisches und mit den Vereinigten
Staaten verbündetes Korea
an Chinas Grenze wäre nicht im Sinn Pekings.
Baldige Atommacht Japan?
China hat aber
auch diese Möglichkeit zu wägen: Gelingt es Nordkorea, sich
als Atommacht
zu etablieren, könnte sich Japan veranlasst sehen, angesichts der nordkoreanischen Bedrohung selbst Atommacht zu werden. Ein
hochgerüstetes und möglicherweise
nuklear bewaffnetes Japan stellte ebenfalls eine große Herausforderung
für China dar.
Peking muss abwägen; es könnte
sein, dass die Führung künftig doch die Haltung zu Nordkorea ändert
und dass sie ihrem Unmut über
Pjöngjang auch Taten folgen lässt.
Es wäre überfällig.
Was könnten
umfassende Handelsbeschränkungen
und eine Einstellung der chinesischen Hilfe bewirken? Die Bevölkerung Nordkoreas ist das Darben
gewohnt. Sie hat über Jahrzehnte gelernt, in der Mangelwirtschaft zu überleben, und kämpft, mit der Findigkeit
der Verzweiflung, mit Schwarzmarkt und Kleinhandel gegen die Planwirtschaft und Mangelversorgung.
Kein Aufstand gegen Kim Jong-il
Das Kalkül,
dass eine von Sanktionen verschärfte Versorgungskrise die Bevölkerung zum Aufstand gegen
Kim Jong-il treiben könnte,
wird (noch) nicht aufgehen. Zwar gibt es
in Nordkorea mehr Unzufriedenheit; doch die Bevölkerung ist
so lange indoktriniert und abgeschottet worden, dass sie sich
über den wahren Charakter ihres Führers und seiner Schützlinge nicht im Klaren
sein dürfte.
Noch hat der allgewaltige
Sicherheitsapparat alles in
der Hand, noch kann er die leiseste
Kritik unterbinden. Die Nomenklatura wird sich weiter genügend
Mittel zuschanzen, um ein Leben in Luxus
zu führen.
Wenn Strafen Kim Jong-il und seinen Clan nicht zu einer Änderung
der Politik veranlassen, wie steht es dann
mit Anreizen? Energielieferungen und andere Hilfen, vor allem
auch die Aussicht auf diplomatische Anerkennung durch die Vereinigten Staaten und Japan haben in den vergangenen Jahren Nordkorea zu den Sechsergesprächen nach Peking gebracht und es dort zu einer
Verpflichtung bewegt, sein Atomprogramm einzustellen. Auch eine Abmachung mit dem damaligen
Präsidenten Clinton beruhte
auf dem Prinzip der Anreize.
Weitere Provokationen im Sinn
Nordkorea für einen
Atomversuch und den Test von Lang- und Kurzstreckenraketen, für die Missachtung der UN und die Verletzungen bisheriger Abmachungen noch zu belohnen ist keine angenehme Vorstellung. Zumal Hilfsleistungen den unschönen Nebeneffekt haben, dass sie
das brutale Regime in Pjöngjang
nur noch länger am Leben halten werden.
Außerdem hat Nordkorea früheres Entgegenkommen mit dem Bruch von Vereinbarungen vergolten. Dennoch bleibt, solange China sich nicht bewegt, das direkte Gespräch zwischen Nordkorea und Washington
vermutlich die einzige Möglichkeit, um auf Pjöngjang Einfluss zu nehmen.
Präsident Obama scheint prinzipiell bereit dazu. Ziel von Gesprächen muss es sein, Nordkorea wieder zur Einhaltung
seiner Verpflichtungen zu bewegen: zum kompletten
Abbau seines Atomprogrammes.
Der Preis
dafür wäre die in Aussicht gestellte Anerkennung durch Washington und möglicherweise die Lieferung eines Leichtwasserreaktors. Wäre dieser Preis zu hoch? Wäre Nordkorea
ernsthaft daran interessiert?
Schließlich hat es schon
zwei Gesprächsangebote der Regierung Obama ignoriert. Überdies kann Obama nach dem jüngsten Atomtest
und den Kriegsdrohungen gegen
den Süden nun nicht einfach auf Nordkorea zugehen. Es steht zu befürchten, dass Kim Jong-il weitere Provokationen im Sinn hat.