Panne an der ISS: Befehlsverweigerung im Weltraum

 

In der Nacht zum Mittwoch sollte eine Versorgungskapsel von der Raumstation ISS ablegen, die Nasa hatte extra einen Livestream eingerichtet. Gebannt schauten Weltraumfans zu, als das Signal zum Abkoppeln gegeben wurde. Doch dann passierte: nichts. Die Panne ist nicht das erste Missgeschick im Weltraum. von Gerhard Hegmann  München

 

Der Transport von Sauerstoff, Wasser, Lebensmitteln und Nutzlast zur Internationalen Raumstation ISS gehört seit Jahren zum Routinebetrieb im All. Zuletzt erledigten das vor allem die russischen unbemannten Progress-Kapseln. Sie liefern wertvolle Nutzlast an, nehmen Abfall auf und werden dann zurück in die Erdatmosphäre geschickt. Dort verglüht alles - wie in einer Müllverbrennungsanlage. So sollte in der Nacht zum Mittwoch auch die europäische Versorgungskapsel ATV 3, voll bepackt mit Abfall und vollen Urintanks wieder von der ISS ablegen. Die US-Weltraumbehörde Nasa übertrug live im Internet das Abkoppelmanöver - doch es passierte nichts.

Dabei ist Europas ATV (Automated Transfer Vehicle) mit hochkomplexer Elektronik ausgestattet. Die unter der Regie der EADS-Raumfahrtsparte Astrium gebaute Nutzlastkapsel kann sogar vollautomatisch ankoppeln. Doch vom viel einfacheren Manöver, dem Abkoppeln, wollte die Kapsel nichts wissen.

 

Sofort kursierten Schuldzuweisungen in Expertenblogs. Es gab Berichte, dass von einem russischen Laptop in der ISS per Funk der Befehl zum Abkoppeln gegeben wurde, aber das ATV habe nicht reagiert. Also die Schuld des ATV. Doch am Mittwoch klärte die Europäische Weltraumbehörde ESA auf: Das Kommando zum Abkoppeln wurde an die falsche Raumkapsel-Adresse geschickt. Experten hätten eindeutig ermittelt, dass das Signal an die Identifikationsnummer 34 geschickt wurde - ankommen müssen hätte sie aber bei der 35.

 

Zahlreiche Missgeschicke in der Raumfahrt

 

Wie das Malheur passieren konnte, teilte die ESA zunächst nicht mit. Jetzt soll ein neuer Abkoppelversuch in der Nacht zum Freitag unternommen werden.

 

Die Panne mit dem Kommando an die falsche Kapsel-Adresse ist das jüngste Kapitel in zahlreichen Missgeschicken in der Raumfahrt. So musste der Start des jetzt gebremsten ATV im März bereits um Wochen verschoben werden. Jemand vergaß, zwei Sicherheitsgute zur Befestigung der Nutzlastbehälter im Inneren des zehn Meter langen Raumschiffs richtig festzuzurren. Bemerkt wurde die Nachlässigkeit erst, als die Raketenspitze schon aufmontiert war.

 

1998 ging eine US-Marssonde verloren, weil metrische mit angloamerikanischen Maßeinheiten verwechselt wurden. Im vergangenen Jahr wurde eine russische Proton-Rakete mit der falschen Treibstoffmenge betankt, worauf die Satelliten nicht die vorgesehene Umlaufbahn erreichten.

 

Weniger glimpflich lief die Panne mit einem vergessenen Putzlappen in einer Treibstoffleitung einer Ariane 4 ab, die 1990 zum Absturz der Rakete führte. Zur Pannenliste gehört auch der 1987 gestartete deutsche Fernsehsatellit TV-SAT 1. Er versagte im All, weil entweder vergessen wurde, eine Transportsicherungsklammer zu entfernen, oder die Solarpaddel falsch herum montiert wurden. Was genau die Ursache war, darüber streiten sich Experten noch heute.