Obamas gefährliches Spiel

 

Der Republikaner Mitt Romney hat die Kandidatur seiner Partei so gut wie sicher. Mit seiner Klassenkampfrhetorik bietet ihm US-Präsident Barack Obama eine ideale Angriffsfläche. von Sabine Muscat

Mitt Romney hat ein Problem weniger. Nach dem Rückzug seines innerparteilichen Rivalen Rick Santorum ist ihm die Nominierung der US-Republikaner zum Präsidentschaftskandidaten so gut wie sicher. Im letzten halben Jahr ließ sich der Anwärter, der in Umfragen die vergleichsweise besten Chancen gegen US-Präsident Barack Obama hätte, im Vorwahlkampf an den rechten Rand des politischen Feldes drängen. Nun muss er sich frei spielen, um im November aus der Mitte angreifen zu können.

 

Die Zahl der Amerikaner, die weder bei den Demokraten noch bei den Republikanern registriert sind, sondern sich selbst alsunabhängigbezeichnen, ist im gleichen Tempo gewachsen wie die Verachtung für die im Streit gelähmten Parteien in Washington. Diese Wähler wollen praktische Lösungen, keine ideologischen Schablonen. Romney hätte eine attraktive Botschaft für sie. Der frühere Unternehmenssanierer und Organisator der Olympischen Spiele in Salt Lake City bringt gute Referenzen mit, um sich als nüchterner Problemlöser zu präsentieren, vor allem in wirtschaftlichen Fragen.

Steuergerechtigkeit zieht nicht als Thema

Ausgerechnet Obama hilft ihm in diesen Tagen, dieses Profil zu schärfen. Der Präsident, der die Wiederwahl laut Umfragen derzeit gewinnen würde, lehnt sich zum Auftakt des Wahlkampfes als Klassenkämpfer aus dem Fenster. Sein Linksruck gibt Romney die Chance, sich als Stimme der Vernunft zu präsentieren. Inhaltlich sind Obamas Forderungen gar nicht einmal so radikal. So zieht er für die Buffett-Regel ins Felde. Die nach dem Milliardär Warren Buffett benannte Regel soll verhindern, dass die reichsten Amerikaner einen niedrigeren Steuersatz zahlen als ihre Sekretärinnen. Das Stichwort heißt: Gerechtigkeit.

Dagegen kann niemand etwas haben, schon gar nicht die Wähler in der Mitte. Das Problem ist nur: Steuergerechtigkeit zieht nicht als Wahlkampfthema. In einer Umfrage der überparteilichen Organisation Third Way findet die Mehrheit der befragten Wechselwähler zwar, dass Reiche mehr Steuern zahlen sollten als ärmere Bürger. Aber nur 15 Prozent würden einem Kandidaten ihre Stimme geben, der darauf seinen Wahlkampf aufbaut. 80 Prozent wünschen sich einen Kandidaten, der über Wachstum und Chancen spricht. Romneys Slogan von einerChancen-Gesellschaftscheint dieses Gefühl besser zu treffen.

Den Kuchen größer machen

Ob Romney seine Stärken ausspielen kann, ist damit lange nicht gesagt. Die Vorwahlen haben schon viel Schaden angerichtet. Der unsichere Favorit machte sein mangelndes Charisma mit Geld wett, das er in negative Kampagnen steckte. Den Verdacht vieler Parteigenossen, er stehe zu weit links, überkompensierte er, indem er seine Rivalen rechts überholte. So kommt es, dass der ehemals moderate Gouverneur von Massachusetts heute kategorisch gegen Abtreibung ist und null Toleranz für illegale Einwanderer propagiert. Keine guten Positionen, um sich bei wichtigen Wählergruppen Frauen und Latinos beliebt zu machen.

Die Themen Abtreibung und Einwanderung werden allerdings nicht die Wahl entscheiden. Wichtiger wird sein, welchem Kandidaten die Wähler zutrauen, dass er die Wirtschaft flott bekommt. Obamas Forderung nach einer gerechteren Verteilung des Kuchens mag die linke Basis motivieren, sich im Wahlkampf für den Präsidenten einzusetzen. Wer die Wahl am 6. November gewinnen will, muss glaubhaft vermitteln, dass er den Kuchen größer machen kann.