Trotz ist
nicht Trumpf bei der Präsidentschaftswahl
Wenn die Republikaner bei ihrem Radikalismus
bleiben, haben sie bei der
Wahl keine Chance. 2011 war für
sie ein verplempertes
Jahr.
von Sabine Muscat
Die US-Republikaner
haben gute Gründe, mit frischem
Mut ins Präsidentschaftswahljahr
zu gehen. Allen Konjunkturausgaben zum Trotz liegt die Arbeitslosigkeit beharrlich über acht Prozent,
der Immobilienmarkt leidet weiter, und die Wirtschaft wächst weiterhin schwach. Zugleich klafft ein riesiges schwarzes
Loch in der Haushaltskasse,
und auf der Bilanz türmen sich die Schulden. Bei der
Kongresswahl im Herbst 2010 hat die Opposition den Demokraten
einen ordentlichen Denkzettel verpasst.
Präsident Barack Obama, so könnte man
meinen, wird sich 2012 selbst demontieren, ganz egal wer sein
Gegner ist.
Das dachten offenbar
auch die Republikaner - und
aus Mut wurde
Übermut. Die Folge: Sie haben es
geschafft, sich noch unbeliebter zu machen als Obama. Ihre Präsidentschaftsanwärter überbieten
einander mit Populismus am rechten Rand. In Anbetracht des bizarren Kandidatenfelds dürfte sich so mancher moderate Wähler bereits mit Grausen abgewendet
haben.
Auch im Kongress
hat die Partei jeglichen guten Willen verspielt.
Viele Abgeordnete haben die Protestwahl 2010 als Mandat
für eine Radikalopposition im Sinne der Tea-Party-Bewegung missverstanden - mit dem Ergebnis,
dass Obamas Umfragewerte am Jahresende erstmals wieder Aufwind bekamen. 2011 war für die Republikaner ein verplempertes Jahr.
Eine Chance wird die Partei im November nur haben, falls sie so bald wie möglich zu Vernunft
und Mittelmaß zurückkehrt. Für die Vorwahlen, die am 3. Januar beginnen, heißt das: Die Mitglieder müssen sich zügig für
Mitt Romney entscheiden und ihre
rechtsextreme Trotzphase abschließen.
Romney ist zwar kein Traumkandidat. Er hat seine Positionen so oft gewechselt wie andere ihre Krawatten.
Aber eines zumindest ist
klar: Der Mann hat etwas
auf dem Kasten. Er hat sich als Gouverneur von
Massachusetts und in der Privatwirtschaft
bewiesen - und er ist viel zu
nüchtern und analytisch, um
dem Radikalismus zu verfallen.
Auch Charisma hat Romney nicht. Aber für seine Partei ist
das vielleicht besser so. Denn schillernde Figuren mit großem Ego und wenig Sachverstand - vom Medienmogul Donald Trump, der im Frühsommer
eine Kandidatur erwog, bis
zum früheren Pizzaunternehmer Herman Cain, der
im Herbst in den Umfragen glänzte - haben die Partei in ein schlechtes Licht gerückt. Das Gleiche gilt für Ron Paul, der aktuell die Wut der Tea-Party-Bewegung in Iowa kanalisiert. Paul will mehrere Ministerien und die Zentralbank
Federal Reserve abschaffen und die Mitgliedschaft der Vereinigten Staaten in internationalen Organisationen beenden. Aber am Ende werden die Wähler einen Gestalter
wollen, keinen Zerstörer.
Teil 2: Entscheidendes Jahr für Amerikas
Konservative
Mit der Wut
ist es
überhaupt so eine Sache. Irgendwann einmal ist
sie aufgebraucht. Irgendwann geht es der Wirtschaft
wieder besser, und die Menschen sind
erschöpft vom Demonstrieren und kehren in ihren Alltag zurück.
Die Tea-Party-Bewegung hat eine
wichtige Funktion eingenommen. Sie hat die Alarmglocken geläutet und die Probleme benannt, die hohe Defizite und Schulden für künftige
Generationen in Amerika bedeuten. Sie hat beiden Parteien
den Spiegel vorgehalten. Was das Land nun braucht, sind Experten,
die mögliche Lösungen durchrechnen. Und Politiker, die die Fähigkeit besitzen,
Mehrheiten zu schmieden.
Buddy Roemer Rick Santorum
Ron Paul Michele Bachmann Rick Perry
Bei vielen ist die Botschaft längst angekommen. Bei der sogenannten
Sechserbande aus drei Republikanern und drei Demokraten etwa, die sich im Senat um eine
überparteiliche Lösung im Haushaltsstreit bemühte. Doch diese
Stimmen werden übertönt vom Geschrei
der Fundamentalisten am rechten und am linken Rand. Vor allem die sturen Tea-Party-Vertreter, die 2010 in den Kongress
eingezogen sind,
haben bei ihrem Marsch durch
die Institutionen versagt. Über ihrer blinden
Fundamentalopposition vergessen
sie, dass selbst die von ihnen so oft beschworenen Gründungsväter Amerikas Kompromisse eingehen mussten.
Romney wird oft vorgehalten, dass er ein
Unternehmensberatertyp ohne
echte Überzeugungen sei. Das könnte ein
Segen für die Republikaner sein, solange sie ihn
nicht in eine rechte Ecke treiben,
aus der
er nicht mehr herauskommt. Je länger der Vorwahlkampf
dauert, desto größer wird diese
Gefahr. Je früher dagegen der echte Wahlkampf
beginnt, desto eher kann Romney mit Obama darüber diskutieren, wie das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft aussehen soll, wie viel
Militär sich das Land künftig leisten kann und wie die USA ihre künftige wirtschaftliche und wissenschaftliche Wettbewerbsfähigkeit
sichern können.
Das könnte eine
interessante Debatte zwischen zwei hoch gebildeten und klugen Kontrahenten werden. Ob sie den Republikanern zum Sieg verhilft, sei dahingestellt. Denn am Ende könnte
sich herausstellen, dass der ideologische
Graben zwischen den beiden Bewerbern nicht so tief ist, wie es manche Hardliner gern sähen. Das
Risiko jedoch muss die Partei eingehen, wenn sie langfristig
ernst genommen
werden will.
2012 wird ein entscheidendes
Jahr für Amerikas Konservative. Sie müssen zeigen,
dass sie nicht nur Krach
schlagen, sondern auch Lösungen anbieten
können. Sonst schaden sie sich
selbst, egal, wie gut oder
schlecht Obama im November dasteht.