Ratingagenturen in der Krise
Die Herabstufung
der Euro-Zone droht, doch die Panik bleibt aus. Schuld
sind die großen
Agenturen selbst. Das Vertrauen in ihre Professionalität schwindet - und ihre Botschaften sind
banal.
Im Umgang mit
den mächtigen Ratingagenturen
konnten wir am Dienstag ein interessantes
Phänomen beobachten. Da droht Standard & Poor's sogar
schon den "AAA"-Ländern
der Euro-Zone mit einer möglichen Herabstufung (ja, auch Deutschland!) und dem europäischen Rettungsfonds gleich mit. Und was passiert? Nix, ziemlich
wenig zumindest. Die
Märkte signalisieren nur: Wissen wir
doch alles schon. Und selbst Europas Politiker winken, vergrätzt zwar, eher ab:
Jaja, die Ratingagenturen, das sei auch
nur eine Stimme von vielen. Im besten Fall sei die S&P-Drohung ein weiterer Ansporn
für den bevorstehenden Euro-Gipfel. Ach so.
Was passiert
da mit den Ratingagenturen?
Fallen schlechte Nachrichten nicht
mehr so ins Gewicht, wenn ohnehin täglich
die große Euro-Apokalypse verkündet wird? Oder demontiert sich das Oligopol
der Ratingriesen gerade selbst, weil ihre
Arbeitsweise zunehmend auf Skepsis stößt?
Beides stimmt.
Die Erkenntnisgewinne,
die Investoren im Moment aus den Äußerungen der Agenturen ziehen
können, sind bescheiden. Die Ratingurteile sind zwar einflussreich
- auch weil ihnen diese Macht
einst bewusst zugeschrieben wurde von Aufsichtsbehörden oder Notenbanken. Aber ihre Botschaften sind banal. Insbesondere
Herabstufungen, tatsächliche
wie angedrohte, schockieren an den Märkten nicht wirklich,
wenn dort ohnehin eher mit
dem Schlimmsten gerechnet wird.
Und dass
eine Herabstufung automatisch mit höheren Zinsen für ein Schuldnerland
verbunden sein muss, glaubt spätestens seit der Herabstufung
der USA niemand mehr so richtig. Dort sind
die Zinsen nämlich inzwischen sogar niedriger als noch
zu "AAA"-Zeiten. Dafür gibt es
eine einfache Erklärung: Geldanlageentscheidungen
sind immer zuerst eine Frage
von Alternativen - und nicht
von Buchstabenkombinationen.
Für die Ratingagenturen jedoch könnte sich
die gegenwärtige Euro-Krise
noch zur Krise der eigenen
Branche entwickeln. Und dafür braucht es
noch nicht einmal irgendwelche politischen Reaktionen wie eine stärkere
Regulierung oder gar eine eigene europäische
Ratingagentur. Allein die Umstände, wie jetzt
die Informationen über eine mögliche Herabstufung
der Euro-Zonen-Länder an
die Öffentlichkeit gelangt sind, untergraben das Vertrauen in die Professionalität der Ratingagenturen.
Dabei kann man S&P zumindest hier wenig vorwerfen. Der Agentur ist es vorgeschrieben, zwölf Stunden vor Veröffentlichung
die Regierungen über eine bestimmte Ratingaktion zu informieren. Wenn frustrierte Regierungsvertreter diese vertraulichen Informationen immer öfter vorab an
die Presse durchstechen, verlieren
die Agenturen schleichend
an Reputation.