Just do it, Barack!

 

US-Präsident Obama lässt sich von ein paar Radikalen bei den Republikanern vorführen. Er sollte das nicht hinnehmen - sondern eigenmächtig durchgreifen.

 

von Matthias Ruch

 

Fern der Heimat fiel selbst der sonst so stolzen Außenministerin nichts anderes mehr ein, als sich für die Verhältnisse in ihrem Land zu entschuldigen: Die parteipolitisch geprägte Debatte sei eine Tatsache des politischen Alltags in Washington, erklärte Hillary Clinton vor der Handelskammer in Hongkong. Manchmal sei diese Debatte "schmutzig", aber am Ende würde die demokratische Gesellschaft doch zu einer Lösung kommen.

 

Diese Lösung lässt im erbitterten Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze weiter auf sich warten. Früher oder später werden die Damen und Herren in Washington wohl irgendeinen Kompromiss verabschieden müssen, um ihr Land nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Aber ist das wirklich eine Lösung?

 

Seit den Kongresswahlen im vergangenen November werden die USA nicht mehr regiert, sondern verwaltet. Wirtschaftlich leidet das Land weiter schwer unter den Folgen der Rezession, den Kriegen im Irak und in Afghanistan und unter dem Missmanagement der letzten Regierung Bush. Und jetzt startet zu allem Überfluss auch noch der Wahlkampf. Mit dem Einzug der sogenannten Tea Party ins Abgeordnetenhaus fahren die Republikaner den Kurs der Totalblockade. Ihre Ziele sind dabei klar definiert: Stärke zeigen und Obama demontieren.

 

Ob ihre politischen Forderungen nach Kürzungen im Haushalt, niedrigen Steuern und weniger Staat in der Sache berechtigt sind, mag dahinstehen. Unerträglich aber ist, wie diese radikale Splittergruppe den gewählten Präsidenten zum Narren hält.

 

Das peinliche Theater, das derzeit in Washington aufgeführt wird, heißt in den USA "Checks and Balances". Die Idee dahinter findet sich in jeder Demokratie und ist prinzipiell richtig: Der Regierungschef soll nicht allmächtig schalten und walten dürfen.

 

Tatsächlich neigen Amerikaner wie Deutsche dazu, nach der Wahl eines neuen Präsidenten oder Kanzlers sogleich die Opposition im Kongress oder Bundesrat zu stärken. Sie versprechen sich davon Ausgleich und Stabilität, doch wenn sich die Lager radikalisieren, droht Stillstand.

 

Teil 2: Oskar Lafontaine hat es in Deutschland getan

 

Wie das funktioniert, hat einst Oskar Lafontaine vorgeführt, als er die Bundesregierung unter Helmut Kohl mit einer Totalblockade aus dem Bundesrat faktisch lahmlegte. Lafontaines Opposition mag inhaltlich berechtigt gewesen sein, doch Kohl war zum Regierungschef gewählt. Weder Deutschland noch die USA können es sich leisten, ihre Regierung von der Opposition einfrieren zu lassen.

 

In Amerika nimmt die Blockade über den Kongress sogar absurde Züge an, denn selbst vielen Republikanern geht das Spiel mit dem Feuer jetzt entschieden zu weit. Ginge es nach John Boehner, dem Anführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, hätte sich die Opposition schon längst mit Obama auf einen Kompromiss verständigt. Der Entwurf der "Gang of Six", den jeweils drei angesehene Vertreter beider Lager gemeinsam vorgelegt hatten, wäre eine ideale Basis für eine Einigung gewesen.

 

Doch die Tea Party will keine Einigung und schon gar keinen Kompromiss. Und Boehner fehlt entweder der Mut oder die Macht, um sich endlich über diese Querköpfe in den eigenen Reihen hinwegzusetzen.

 

Für die Tea Party wäre eine Staatspleite der USA, deren Folgeschäden für die gesamte Weltwirtschaft im Moment noch gar nicht kalkulierbar sind, in der Sache sogar ein politischer Erfolg: Der Staat müsste seine Ausgaben und Sozialleistungen radikal kürzen, Zehntausende Beamte nach Hause schicken und sich auf das Nötigste beschränken. Wunderbar! Genau das fordern diese radikalen Populisten schon seit Jahren.

 

Die Republikanische Partei, die seit den Wahlerfolgen der Tea-Party-Kandidaten tief gespalten ist, steckt nun im Dilemma. Einerseits muss sie interne Machtkämpfe austragen, um ihren künftigen Kurs zu definieren. Zugleich müsste sie nach außen Geschlossenheit gegen Obama demonstrieren. Dass die Abgeordneten eigentlich gewählt wurden, um dem Wohl des Landes zu dienen, wird dabei endgültig zur Nebensache.

 

Teil 3: Rückgriff auf die Notstandregelung

 

Politisch betrachtet wäre Präsident Obama gut beraten, diesem entwürdigenden Spiel endlich ein Ende zu setzen und Fakten zu schaffen. Er hätte, dem Rat Bill Clintons folgend, schon längst tun sollen, was er für nötig hält: die Schuldengrenze eigenmächtig anheben, den Kongress umgehen und damit ein Exempel statuieren. Berufen könnte er sich auf eine Notstandsregelung in der Verfassung, die dem Präsidenten im Ernstfall entsprechende Befugnisse gewährt.

 

Ob ein solcher Alleingang juristisch zulässig wäre, ist zweifelhaft und müsste eines Tages vor Gericht entscheiden werden. Zunächst aber hätte Obama damit Stärke bewiesen: Ich lasse mich nicht zum Narren halten, und ich lasse mein Land nicht vor die Hunde gehen! Ich habe es im Guten versucht, ich habe Zugeständnisse gemacht, und ich habe Geduld bewiesen. Jetzt reicht's!

 

In der Bevölkerung und in der Wirtschaft würde der Präsident mit einem solchen Schritt viele Sympathien gewinnen. Die Amerikaner mögen Macher - und sie haben mehr als genug von der Blockade in Washington. Ob die Reformen, mit denen Obama das Land sanieren will, die richtigen sind, ist umstritten. Eines aber ist sicher: Im November 2008 ist Obama gewählt worden, um diese Reformen umzusetzen. Sollte er nicht wenigstens die Chance bekommen, dies auch zu tun?