Die amerikanische Vorherrschaft ist
beendet
Die wenig
spektakulären Beschlüsse
des G20-Gipfels werden nicht
in die Geschichte eingehen. Von historischer
Tragweite ist
vielmehr der sichtbare Bedeutungsverlust der USA, die ihre weltweite Dominanz schneller verlieren, als es Präsident
Obama lieb sein kann. von Peter Ehrlich Seoul
In Friedenszeiten
braucht es zum Glück keine
historischen Schlachten wie Trafalgar oder
Waterloo, um das Machtgleichgewicht in der Welt zu ändern.
Das passiert heute
in kleinen Schritten Tag für Tag - und wird dann sichtbar bei
Treffen wie dem G20-Gipfel in Seoul. Zu besichtigen
war das Ende der amerikanischen Dominanz in der Welt. Das "amerikanische Jahrhundert" geht zu Ende.
Spätestens seit dem
Ersten Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten die militärisch und wirtschaftlich bedeutendste Macht. Vor 20 Jahren, nach
dem Zusammenbruch des sowjetischen Blocks, wurden sie die einzige "Supermacht". Als der damalige
US-Präsident George H.W. Bush von einer
"neuen Weltordnung"
sprach, dachte er eine Pax
Americana. Doch von da an ging's bergab.
Militärisch dominieren die USA noch immer, einen
Alleingang wie im Irak-Krieg könnten
sie sich heute trotzdem nicht mehr leisten.
Wirtschaftlich sind
sie noch mit Abstand die größte Nation, aber das Schicksal der Weltwirtschaft
hängt jetzt an Europa und an China. Barack Obama, der
anders als
Bush junior für eine multilaterale Weltordnung war,
muss bitter erfahren, was das in der
Praxis heißt. Früher treue Verbündete wie Deutschland kritisieren öffentlich die Geldpolitik der US-Notenbank.
Im
Gipfel-Kommunique wird nicht wie von den USA gewünscht vor "unterbewerteten Währungen" gewarnt, sondern vor einem Abwertungswettbewerb. Mit ersterem wäre klar China gemeint gewesen, das zweite kann man auch auf die USA anwenden.
Dem neuen
G20-Präsidenten Nicolas Sarkozy - Frankreich übernimmt 2011 den Vorsitz von Südkorea - hat die Organisation der
zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer
den Auftrag erteilt, eine Grundsatzdiskussion über das Währungssystem einzuleiten. Wohin das führen könnte, hat Brasiliens Finanzminister Guido Mantega nach dem
Gipfel deutlich gesagt: Auf die Stärkung anderer Reservewährungen zu Lasten des Dollar.
Es war auch
symbolisch, dass der Gipfel in Asien
stattfand und in einem
Land, dass zum ersten Mal ein solches internationales
Großereignis veranstaltete.
Die Koreaner zeigten, dass ein Treffen
dieses Umfangs locker und freundlich
organisiert werden kann - und das auch noch ohne grotesken
Sicherheitsaufwand wie vor wenigen Monaten
in Kanada.
Das Selbstbewusstsein solcher mittelgroßer Nationen zeigt denn auch,
dass der amerikanischen Dominanz nicht gleich eine
chinesische folgen wird. Die Menschheit versucht es vielleicht tatsächlich
mit einer neuen Weltordnung, weil zum
ersten Mal nicht mehr in militärisches Gleichgewicht, sondern wirtschaftliche Interdependenz der entscheidende Machtfaktor in der Welt ist.
Ein Bill Clinton kam bei ähnlichen Gipfeln
manchmal ohne Begründung eine Stunde zu spät
und alle anderen mussten warten. Obama ist höflicher
und pünktlicher. Es wäre aber auch
nicht mehr sicher, dass man auf ihn wartet.