Warum Obama nicht auf die Tea Party hören darf

 

Kommentar Bei der US-Kongresswahl hat der Protest gegen Arbeitslosigkeit und hohe Staatsausgaben gewonnen. Doch das eine hängt mit dem anderen zusammen. Ein drastisches Umsteuern gefährdet die USA - und den Rest der Welt. von David Böcking

 

Zwei Schlagworte funktionieren in jedem US-Wahlkampf. Das eine ist die Forderung nach mehr Jobs, die Ex-Präsident Bill Clinton einst mit dem Slogan "Es geht um die Wirtschaft, Blödmann" umriss. Das andere ist die Warnung vor "Big Government" - einem aufgeblähten Staatsapparat, der das Geld nur so zum Fenster hinauswirft.

 

Diesmal funktionierten beide Schlagworte für die Republikaner besonders gut. Schließlich haben US-Präsident Barack Obama und seine Demokraten Konjunkturpakete in dreistelliger Milliardenhöhe geschnürt, um die taumelnde US-Wirtschaft zu stimulieren. Sogar ein einstiges Vorzeigeunternehmen wie General Motors wurde verstaatlicht. Und dennoch ist nach wie vor fast jeder zehnte Amerikaner arbeitslos.

Dank der Wut über diese Misere haben die Republikaner das Repräsentantenhaus zurückerobert. Dessen künftiger republikanischer Sprecher, John Boehner, teilte Obama bereits mit, mehr Jobs und weniger Ausgaben seien die Top-Prioritäten seiner Wähler. Doch beide Forderungen gleichzeitig sind derzeit nicht zu erfüllen.

 

Die USA leiden besonders unter einer anhaltenden Schwäche des heimischen Konsums. Verschärft wurde sie dadurch, dass staatliche Hilfen für Arbeitslose und von der Zwangsräumung bedrohte Hausbesitzer nicht verlängert wurden.

 

Das entsprach ganz den Überzeugungen der konservativen Tea Party, die sich mit dieser Wahl als neuer Flügel innerhalb der Republikaner etabliert hat. Die Initialzündung der Protestbewegung war schließlich der Wutanfall eines Börsenkorrespondenten gewesen, der während einer Live-Schaltung im Fernsehen lautstark über das Hilfsprogramm für Hausbesitzer schimpfte. Damit würden schließlich nur "Verlierer" für ihre falschen Entscheidungen belohnt.

 

Die Republikaner müssen nun entscheiden, wie stark sie sich auf solche vereinfachten Betrachtungen einlassen. Falls sie sich für eine Totalblockade entscheiden, so könnten sie schon bald selbst am Pranger stehen - als Verursacher des nächsten Abschwungs.

 

Es ginge aber auch anders, schließlich kommt Obama nach dieser Schlappe um Kompromisse nicht mehr herum. Einer könnte darin bestehen, die US-Wirtschaft über mehr Infrastrukturausgaben zu fördern. Diese kämen direkt Unternehmen zugute und wären für Republikaner ideologisch weniger verdächtig als Sozialausgaben.

 

Wie vermint auch dieses Gelände ist, zeigte sich jedoch im Wahlkampf. Weil von Fördermitteln für Erneuerbare Energien auch chinesische Unternehmen profitierten, warfen die Republikaner zahlreichen Demokraten in Werbespots vor, sie verträten in Wahrheit die Interessen Chinas.

 

Umgekehrt versuchten die Demokraten die Republikaner anzuschwärzen, weil diese auch Wahlkampfgelder von ausländischen Unternehmen erhielten - im US-System eine völlig normale Praxis.

Nicht nur den USA, sondern auch ihren Handelspartnern ist zu wünschen, dass sich solche protektionististischen Töne ebenso wie die Radikalopposition gegen staatliche Eingriffe nach dem Wahlkampf abschwächen. Dass die radikalsten Kandidaten der Tea Party bei der Wahl scheiterten, könnte Demokraten wie Republikaner dazu ermutigen.