Stammesfehde in der Mauerstraße
Der letzte große Stammeswechsel
in New York vollzog sich im Jahre 1626. Damals kaufte der
Holländer Peter Minuit dem Stamm der Lenape
die Insel Manna-hatta ab. Der Kaufpreis wurde,
anders als die Legende berichtet, nicht mit Glasperlen
im Gegenwert von 24 $ beglichen.
von Jens Korte
Minuit zahlte schätzungsweise
60 Gulden, was nach heutigem
Stand aber auch nur etwa 1000 $ entspricht. Nach kurzem Chaos räumte dann Peter Stuyvesant auf und ließ
dabei eine Mauer errichten, der das heutige
Finanzzentrum den Namen Wall Street verdankt.
Seit einigen Monaten sind plötzlich erneut Stammeswanderungen zu beobachten. Mit dem Abkühlen
der Finanzkrise sind Banker wieder aggressiver geworden. Ist der Bonus nicht
hoch genug, fällt der Abschied
nicht schwer. Ungerührt wandern die Finanzprofis zum meistbietenden Arbeitgeber.
"Das ist wie beim Highschool-Sport", meint ein Trader auf dem Parkett. "Wenn du bei einem
Team nicht die gewünschte Achtung bekommst, dann wechselst du halt ins gegnerische Lager über. Nach dem Motto: Ihr könnt mich
mal. So funktioniert das auch
in der Finanzindustrie, ganz simpel."
Das Geschäft verläuft
nach regelrechten Stammesritualen. Die Teams sind
in der Tat wie
"Tribes" organisiert. Da wechselt nicht nur ein einzelner
Topbanker, sondern häufig der komplette
Stamm. Ganze Einheiten, die etwa auf Rohstoffhandel oder Vermögensberatung spezialisiert sind, siedeln um und nehmen ihre Kunden
gleich mit.
Das war auch einer der Hauptgründe, weshalb Goldman Sachs sieben ehemalige Mitarbeiter verklagte, als diese zu Credit Suisse abwanderten. Mittlerweile hat Goldman die Klage
zurückgenommen. Es darf spekuliert werden, wie viele Glasperlen
die Schweizer Großbank dafür überwiesen hat.
Zu beobachten war auch, dass kleinere Investmentboutiquen
wie Broadpoint Gleacher oder Cowen Group namhafte Neuzugänge präsentierten. "Dieses ,Window of Opportunity‘ schließt sich aber
bereits wieder", sagt ein Insider. Nach Rückzahlung der Staatsgelder locken die großen Banken wieder mit
lukrativen Angeboten. So dürfte die Wall Street wohl bald
die Rückkehr von Merrill Lynch und anderen einstmals ansässigen Banken erleben. Dann wäre
fast alles wieder beim Alten. Nur
die Lenape wurden nicht wieder gesichtet.
Jens Korte schreibt
als Wall-Street-Korrespondent
für die FTD.