Zöttl - Sonnensystem ohne Sonne

 

Ines Zöttl

 

13.01.2010

 

Am Mittwoch feiern wir Geburtstag. Wir sind dann ein Jahr Obama. Es war eine tolle Feier damals am 20. Januar 2009, endlich waren alle Menschen Brüder (die paar ewiggestrigen Zweifler konnten uns die Freude nicht vermiesen). Das erste halbe Jahr haben wir damit verbracht, stolz darauf zu sein, dass wir den Dämon Bush verjagt haben. Seitdem sind wir entschlossen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die Ewiggestrigen - und leider auch immer mehr Halbherzige - fordern, wir müssten den Worten Taten folgen lassen.

 

Aber hat jemand Gott am Abend des ersten Tages der Schöpfung damit genervt, dass noch keine Recyclingtonnen aufgestellt waren?

 

In Wirklichkeit hat sich die Welt im Jahr 1n.O. viel stärker verändert, als es den Anschein hat. Die USA sind verschwunden. Sie wurden ein Opfer des politischen Klimawandels.

 

Amerikas Präsident ist omnipräsent im Weltfernsehen, aber als Führungsmacht hat sein Land abgedankt. Es will nicht länger Weltpolizist sein. An die Stelle der unipolaren Ordnung ist das freie Spiel der Kräfte der zweiten Reihe getreten. China, Europa oder Russland sind zu schwach und zu egozentrisch, um die Führung zu übernehmen. Aber genauso wenig wollen sie sich brav in eine kuschelige Welt-WG einfügen, der die Hausordnung fehlt. Wer trägt jetzt eigentlich den Müll runter, wer füllt den Kühlschrank auf, und wer haut dem Einbrecher eins über den Schädel, wenn nachts um drei die Terrassentür klirrend zersplittert?

 

Aber hat jemand Gott am Abend des ersten Tages der Schöpfung damit genervt, dass noch keine Recyclingtonnen aufgestellt waren?

 

In Wirklichkeit hat sich die Welt im Jahr 1n.O. viel stärker verändert, als es den Anschein hat. Die USA sind verschwunden. Sie wurden ein Opfer des politischen Klimawandels.

 

Amerikas Präsident ist omnipräsent im Weltfernsehen, aber als Führungsmacht hat sein Land abgedankt. Es will nicht länger Weltpolizist sein. An die Stelle der unipolaren Ordnung ist das freie Spiel der Kräfte der zweiten Reihe getreten. China, Europa oder Russland sind zu schwach und zu egozentrisch, um die Führung zu übernehmen. Aber genauso wenig wollen sie sich brav in eine kuschelige Welt-WG einfügen, der die Hausordnung fehlt. Wer trägt jetzt eigentlich den Müll runter, wer füllt den Kühlschrank auf, und wer haut dem Einbrecher eins über den Schädel, wenn nachts um drei die Terrassentür klirrend zersplittert?

 

Teil 2: Weltfrieden lässt auf sich warten

 

Der multilateral verhandelte Weltfrieden lässt auf sich warten. Obama ist gegenüber Russland und dem Iran in Vorlage gegangen, hat aber nirgendwo den Neustart hinbekommen.

 

Stattdessen versucht jeder, möglichst viel für sich herauszuholen. China hat beim Klimagipfel in Kopenhagen mit geradezu erfrischender Brutalität demonstriert, dass es sich für das eigene Wohl interessiert, nicht für das der Welt. Das kann man dem Land nicht einmal übel nehmen, hat es doch längst keine gefestigte Wirtschaft und Gesellschaft. "Eine große Macht ist nicht notwendigerweise eine Supermacht", schreibt der Chinaexperte Minxin Pei prägnant.

 

Russland geriert sich nicht als wohlwollende Gestaltungs-, sondern als Vetomacht: Fuchsig wird man in Moskau immer dann, wenn der eigene Imperialanspruch infrage gestellt wird.

 

Dafür lässt der Riese EU keine Chance aus, sich vorsorglich selbst zu fesseln. Das Personaltableau für die neuen Spitzenämter, die der EU endlich ein Gesicht und eine gemeinsame Stimme geben sollen, wurde so lange in der Brüsseler Konsensmaschine geschleudert, bis garantiert farblose Kandidaten herauskamen.

Und dann gibt es noch die Aufsteiger der Regionalliga, die mehr Einfluss und Geltung beanspruchen. Dabei geht es etwa der Türkei oder Brasilien um Führung in der eigenen Region - oder anders ausgedrückt, ihrem Hinterhof.

 

Die Lebenslüge der Europäer

 

Immerhin zwingt der vermeintliche Beginn des "postamerikanischen Zeitalters" die Europäer, mit einer Lebenslüge Schluss zu machen. Amerika taugt nicht mehr als Sündenbock für allen Misserfolg und eigene Untätigkeit.

 

Die Achse des Bösen aus George W. Bush und seinem Kriegsfürsten Dick Cheney machte es leicht, jede Übernahme von Verantwortung zu verweigern. Nun ist es Obama, der höflich mehr Engagement fordert: Soldaten, die einen Frieden zwar nicht garantieren, ohne die es ihn aber garantiert nicht geben wird. Die lächerliche "Blockade"-Drohung von Außenminister Guido Westerwelle für die Afghanistan-Konferenz in London zeigt, wie man sich nun windet. Bei Bush hätte man rundweg Nein gesagt und sich dabei noch moralisch gut gefühlt.

 

Niemand behauptet, dass ein Weltpolizist USA altruistisch handelt. Doch die US-Interessen sind oft identisch mit denen der westlichen - unserer - Welt. Und die USA verfügen über die militärischen und finanziellen Ressourcen der mit Abstand größten Wirtschaftsmacht. Wir brauchen ihre Bereitschaft, sie auch auszugeben. Das gilt in Afghanistan, das als Hort von al-Kaida nicht nur für die USA zur tödlichen Gefahr würde. Und es gilt, mal ehrlich, auch für die Sicherheit der Ölversorgung, auch wenn wir Europäer selbstverständlich für das schmutzige Gold nie Krieg führen würden.

 

Die Amerikaner sind kein Volk von besessenen Imperialisten. Der Impuls der Wähler ist auch dort isolationistisch und Darfur von Illinois noch weiter weg als vom Saarland. Und man hat ja schon genug Probleme zu Hause. Jeder Zweite findet inzwischen, die USA sollten sich besser um eigene Belange kümmern, anstatt sich im Ausland zu engagieren.

 

Wehe der Welt, wenn Präsident Obama das weiterhin zur Leitlinie seiner Politik macht.

 

Ines Zöttl ist Teamleiterin Ausland der FTD.