Obamas Befreiungsschlag
Mit einer kämpferischen
Rede hat der US-Präsident im Streit
um die Gesundheitsreform das Heft des Handelns wieder in die Hand genommen. Seine Partei muss er aber
noch überzeugen. Auf die Republikaner kann er dagegen nicht
setzen - sie sind derzeit
in einem traurigen Zustand.
von David Francis
Barack Obama macht sich auf, die Kontrolle über die Diskussion zur Gesundheitsreform zurückzugewinnen. Der US-Präsident legte in seiner Rede vor dem
Kongress umfassend und überzeugend dar, wie er sich
ein vom Staat
gestütztes Gesundheitssystem
vorstellt. War der Sommer noch von Bürgerversammlungen gekennzeichnet,
die ins Unschöne abglitten, bestach Obama vor den Abgeordneten durch seine Ruhe. Gelassen beschrieb er, wie er
überflüssige Ausgaben kürzen will, wie er die Arbeitgeberleistungen besteuern will, um Geld für die staatliche Hilfe zu haben, und wie
er dafür sorgen will, dass alle amerikanischen Arbeitnehmer pflichtversichert sind.
Das 900 Mrd. $ teure Vorhaben
klingt erstaunlich nach dem Plan, den der demokratische Senator Max
Baucus im Senat vorlegte und der zuletzt deutlich an Unterstützung gewann. Obama versuchte, das amerikanische Volk zu einen - offenbar mit Erfolg, denn
den Umfragen zufolge reagierte die Öffentlichkeit positiv auf seine Rede.
Darüber hinaus hat er aber auch
versucht, die verschiedenen
Fraktionen innerhalb seiner
Partei zu vereinen. Beiden Flügeln machte er kleine Zugeständnisse,
aber wenn er sein Vorhaben
gegen den Widerstand der Republikaner hinweg umsetzen möchte, muss er noch einiges tun.
Der Baucus-Plan oder
etwas in der Art könnte Obamas letzte
Chance sein, die Demokraten
zu einen und das Gesundheitswesen zu reformieren.
Die Republikaner
haben sich unterdessen erneut als Partei
der Angstschürer erwiesen, deren einziges Ziel nicht
der Erfolg des Landes, sondern das Scheitern Obamas ist. Ein republikanischer
Hinterbänkler aus South
Carolina, einer der letzten Oasen rechtsextremer
Ideologie, bezeichnete den Präsidenten während dessen Rede lauthals
als Lügner - ein enormer Verstoß
gegen das Protokoll, gegen einfachste Benimmregeln und gegen den Respekt vor dem
Amt des Präsidenten.
Peinliches
Verhalten der Republikaner
Andere republikanische Abgeordnete schlossen sich an. Ihr Verhalten
ist peinlich
für das Land und dürfte den
- für die Republikaner kontraproduktiven - Effekt haben, dass sich
das amerikanische Volk hinter Obama versammelt. Amerikaner mögen ihre Anführer und werden gallig, wenn jemand
ihren Oberkommandierenden öffentlich brüskiert.
Die Sorgen
der republikanischen Wähler dürfen bei
Obamas Reformplänen nicht ignoriert werden. Das Beispiel George W.
Bush hat gezeigt, dass ein Präsident keinen
Erfolg haben wird, wenn er
vom Rand seiner Partei aus regiert. Die Republikaner im Kongress sollten ihrer Wählerschaft in Washington Gehör verschaffen, aber sie leisten
diesen Stimmen einen Bärendienst, wenn ihnen nichts
Besseres einfällt, als vor laufenden Kameras den Präsidenten zu verhöhnen.
Die Republikaner
präsentieren sich so als Partei
der Blockierer, die sich gegen jede
Form von Veränderung sperrt,
nicht kompromissbereit ist und sich Fakten
verschließt. Sie sind nicht
nur eine Partei der Neinsager,
sondern eine Partei der Nichtswisser.