Der nächste Folterskandal droht
von David Böcking
(Berlin)
18.04.2009
Barack Obama will CIA-Agenten nicht für Foltermethoden
bestrafen, die sein Vorgänger abgesegnet hatte. Das ist nachvollziehbar. Ein Skandal
aber wäre es, wenn das Thema
damit erledigt ist. Und die Worte
des US-Präsidenten lassen nichts Gutes ahnen.
Christopher
Hitchens hielt nicht einmal eine
Minute durch. Im Sommer 2008 wagte
der britische Journalist einen Selbstversuch mit der von CIA-Agenten verwendeten Verhörtechnik des simulierten Ertrinkens, dem sogenannten Waterboarding.
Nur ein paar Mal goßen
zwei maskierte Helfer Wasser über
ein Handtuch, das sie straff über
Hitchens Gesichts gespannt hatten. Dann gab Hitchens, ein entschiedener Verteidiger der US-Invasion im Irak, auf. "Glaubt mir, es
ist Folter", überschrieb er anschließend die Schilderung
seines Erlebnisses.
Der
neue US-Präsident teilt diese Einschätzung. Zu den ersten Amtshandlungen
von Barack Obama gehörte es,
einen Stopp des Waterboarding anzuordnen.
Seine Begründung, dass solche Methoden die moralische Autorität des Landes untergraben, hatte in der Regierung
von Vorgänger George W. Bush kein
Gehör gefunden.
Dass Methoden wie das Waterboarding unter Bush zur Staatsdoktrin gehörten, zeigen vier von dessen Regierung abgesegnete CIA-Memos, die jetzt vom US-Verteidigungsministerium veröffentlicht wurden. Vom Schlafentzug über den "Klapps ins Gesicht" bis
zu "Einsperren mit Insekten" reichen die dort aufgeführten Techniken.
"Nicht
schlimmer als eine Diät"
Zu jeder haben
die Geheimdienstler vermerkt,
warum sie keine Folter ist:
Gefangenen unappetitliche Flüssignahrung zu geben, sei nicht
viel schlimmer als das, was viele Amerikaner freiwillig bei einer Diät
auf sich nähmen. Die erzwungene Nacktheit - wie sie im
Gefängnis von Abu-Ghraib praktiziert
wurde - erzeuge trotz "kultureller Empfindlichkeiten" keinen ernsthaften "mentalen Schmerz". Das Waterboarding schließlich wirkt auch nach CIA-Ansicht
wie "ein unmittelbar drohender Tod". Dauerhafte psychische Schäden
seien dennoch nicht zu befürchten.
Dass dies Unsinn ist, zeigt schon
das Beispiel Hitchens: Der als robust bekannte Journalist berichtete nach seinem Experiment von wiederkehrenden Albträumen und Erstickungspanik. Wo aber eine Regierung
selbst solche Rechtfertigungen absegnet, macht es wenig
Sinn, die Befehlsempfänger zur
Rechenschaft zu ziehen. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass Barack
Obama jetzt eine Bestrafung von CIA-Mitarbeitern ausgeschlossen hat.
Sehr bedenklich aber ist die Begründung
des US-Präsidenten: "Wir
haben nichts davon, unsere Zeit und Energie auf Schuldzuweisungen über die Vergangenheit zu verwenden", sagte Obama. Das klingt so, als wolle er
grundsätzlich eine Aufarbeitung der Bush-Ära vermeiden. Seine Chancen stünden nicht schlecht, schließlich erscheint die von
Obama oft beschworene nationale
Einheit in Zeiten der Krise umso
wichtiger. Doch wenn unter diese laut dem
Präsidenten "dunkle
und schmerzhafte Episode" der
US-Geschichte einfach ein Schlussstrich gezögen würde, hätte das Land den nächsten Folterskandal.