Prager Frühling, Pjöngjangs Frost

 

Barack Obamas Abrüstungsinitiative bietet viele Chancen - aber Nordkorea hat ihm gleich die Grenzen aufgezeigt.

 

Yes, we can! Gleich zweimal konnte die Welt am Sonntag lernen, was es heißt, das Unmögliche möglich zu machen.

 

Barack Obama bekannte sich in Prag zu der großen Vision einer Welt ohne Atomwaffen. Für einen amerikanischen Präsidenten sind das geradezu revolutionäre Töne, auch wenn Obama gleich klarstellte, dass er von einem Jahrhundertprojekt und nicht von einem konkreten Ziel für die nächsten vier Jahre sprach.

 

Nordkorea startete derweil zum ersten Mal eine Langstreckenrakete, die offiziell nur Satelliten im All absetzt, die aber praktischerweise auch für militärische Flüge nach Japan oder an die US-Westküste geeignet sein dürfte. Yes, we can! - Das bizarre Pjöngjang-Regime kann es inzwischen auch.

 

Rede und Rakete - da prallen kühner Idealismus und eiskalte Machtpolitik frontal zusammen.

 

Barack Obamas Initiative wird von einem starken moralischen Impuls getragen, aber es wäre verfehlt, sie als abgehobene Träumerei abzutun. Der US-Präsident machte konkrete Vorschläge für neue Abrüstungsgespräche mit Russland und für eine bessere internationale Kontrolle nuklearen Materials. Hier gibt es gemeinsame Interessen, sodass Fortschritte möglich sind.

 

Seine Ankündigung, dass die USA ihre eigene Atomwaffenpolitik ändern werden, könnte dem Atomwaffensperrvertrag von 1968 neue Autorität verleihen. Dieser Vertrag verwehrt den Unterzeichnern - wie etwa dem Iran - eine eigene Atombombe, verpflichtet aber im Gegenzug die anerkannten Atommächte zu nuklearer Abrüstung. Dass diese stattdessen sogar weiter aufrüsteten, belastet immer wieder ihre Glaubwürdigkeit.

 

Obama verschafft sich mit seinem umfassenden Vorstoß also viel von dem, was seinem Vorgänger zuletzt so schmerzlich fehlte: moralisches Kapital, mit dem sich Regelverletzer unter Druck setzen lassen und mit dem im Ernstfall auch internationale Bündnisse gegen solche Regelverletzer geschmiedet werden können. Denn daran hat auch Obama in Prag keinen Zweifel gelassen: Wer die Regeln missachtet, muss abgestraft werden.

 

Das Problem ist allerdings, dass die größten Gefahren für die internationale Sicherheit heute von Akteuren ausgehen, die sich schon seit Langem nicht mehr an Regeln halten - und zwar völlig ungestraft. Die Proteste und Uno-Beschlüsse gegen ihr neues Raketenspiel zum Beispiel haben die Nordkoreaner einfach ignoriert. So wie immer.

 

Aus der FTD vom 06.04.2009