Obama/Europa - Freundschaft als Einbahnstraße

 

Daheim in den USA mögen Barack Obamas Beliebtheitswerte das Messiasniveau bereits verlassen haben, in Europa ist die Begeisterung ungebrochen.

 

Wenn Obama in diesen Tagen erstmals als US-Präsident durch Europa tourt, kann er sich einer Sache sicher sein: Seine Fans auf dieser Seite des Atlantiks werden ihn ähnlich enthusiastisch begrüßen wie im Sommer 2008, als der Wahlkämpfer Obama die Europäer von einem Neustart in den transatlantischen Beziehungen träumen ließ.

 

Den europäischen Frühlingsgefühlen steht inzwischen jedoch eine kühle Ernüchterung aufseiten der Amerikaner gegenüber. Sicherlich ist es keine Überraschung, dass zwei Monate nach Obamas Amtsantritt für jeden sichtbar wird, dass der Wechsel in Washington nicht alle transatlantischen Interessenkonflikte wegzaubert. Doch erstaunlicherweise traten die Dissonanzen nicht beim Thema Afghanistan zutage, das schon zuvor als Sollbruchstelle der neuen Einigkeit galt. Streitpunkt ist die Frage, ob alle Industriestaaten genügend gegen die Wirtschaftskrise tun.

 

Es ist keine Überraschung, dass die Europäer die aufgefrischte Freundschaft bislang als Einbahnstraße verstehen. Aus ihrer Sicht hatten sie schon unter Obamas Vorgänger die richtige Haltung, weshalb es nach ihrer Ansicht nun an den USA ist, auf die andere Seite zuzugehen. Obama hat dies auch getan - von der Finanzmarktregulierung bis hin zur Klimapolitik. Europa hingegen bewegt sich kaum und verhält sich fast so, als sitze immer noch ein Präsident im Weißen Haus, der an einer Zusammenarbeit kein wirkliches Interesse hat. Wer aber einen echten Neustart im Verhältnis zu Washington will, der muss auch zu einer fairen Verteilung der Lasten bereit sein.

 

Das betrifft natürlich die Stabilisierung Afghanistans. Aber es gilt noch viel mehr für die Konjunkturpolitik, um die es auf dem G20-Gipfel geht. Es will nicht zusammenpassen, wenn die Europäer Barack Obama zujubeln, seine Bitte nach mehr staatlichen Investitionen gegen die globale Krise aber als "Weg in die Hölle" zurückweisen, ohne auch nur ernsthaft darüber reden zu wollen.

 

Auf Obamas Europareise wird sich zeigen, wer nur ein Claqueur ist, um sich in der Beliebtheit des Neuen zu sonnen - und wer den Neustart in der transatlantischen Zusammenarbeit ernst nimmt. Wer sich zur zweiten Gruppe zählen will, darf Obama nicht mit leeren Händen gegenübertreten.

 

Aus der FTD vom 01.04.2009