Obamas Trickkiste

 

Das US-Angebot zur Raketenabwehr setzt Russland unter Zugzwang. Amerika verlangt zurecht mehr Einsatz gegen das Atomprogramm des Iran.

 

Bisher war über Barack Obamas außenpolitische Vorstellungen nur wenig bekannt. Man wusste, dass der neue US-Präsident offener für Gespräche sein will und mit Tabus der Vorgängerregierung zu brechen gedenkt. Was dies konkret bedeutet, war aber weitgehend unklar.

 

Nun hat Obama Russland einen Verzicht auf die Raketenabwehr in Osteuropa angeboten, und zum ersten Mal lässt sich so etwas wie eine strategische Linie erkennen. Die Offerte an den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew ist ein cleverer Schachzug, weil er den Kreml unter Zugzwang setzt. Gelingt es, den Iran vom Bau der Atombombe abzuhalten, so Obamas Botschaft, dann ist die in Moskau ungeliebte Raketenabwehr nicht mehr nötig. Und um dieses Ziel zu erreichen, kann Russland eine Menge beitragen.

 

Die neue US-Regierung schlägt auf diese Weise mehrere Fliegen mit einer Klappe. Zum einen nimmt sie Abstand von einem Projekt, das nicht zu den Herzensangelegenheiten der US-Demokraten gehört. Der Abwehrschirm ist teuer, und es gilt als fraglich, ob er technisch seinen Zweck überhaupt erfüllt. Zum anderen entkräftet Obama die Kritik der Russen, die in der Stationierung von Raketen und Radarsystemen in Polen und Tschechien offiziell vor allem eine Gefahr für die eigene Abwehrbereitschaft sehen.

 

An diesem Fall zeigt sich, dass Obama einige ausgezeichnete Russlandkenner in seinem Team hat, die die diplomatische Strategie des Kreml in den vergangenen Jahren genau verfolgt haben. Mit seinem Angebot dreht der US-Präsident den Spieß um: Es sind nun nicht mehr die Amerikaner, die die Sicherheit in Europa bedrohen, sondern es liegt an Russland, etwas zur globalen Sicherheit beizutragen.

 

Obamas Vorschlag hilft dabei, das vermutlich größte außenpolitische Problem der USA in den Mittelpunkt zu stellen: die atomare Aufrüstung des Iran. In ihrem jüngsten Bericht stellt die Internationale Atomenergiebehörde fest, dass Teheran bereits über genug gering angereichertes Uran verfügt, um nach weiterer Verarbeitung daraus die Bombe herzustellen.

 

Dieses Szenario erfüllt nicht nur die Amerikaner mit Grausen, sondern dürfte auch Russland beunruhigen, dessen Südgrenze nur durch den Kaukasus vom Iran getrennt ist. Nun wächst der Druck auf Moskau, in dieser Frage klarer Stellung zu beziehen und sich an möglichen künftigen Sanktionsrunden gegen Teheran zu beteiligen.

 

Wie wirkungsvoll eine solche Zusammenarbeit sein kann, ist allerdings ungewiss. Der Iran hat bisher weder auf Drohungen noch auf diplomatische Mühen ernsthaft reagiert, sondern unbeirrt sein Atomprogramm fortgesetzt. Vor der Präsidentenwahl im Juni ist ein neues internationales Angebot nicht zu erwarten, und es wäre auch nicht sinnvoll. Für die Zeit danach aber können die Amerikaner jeden Verbündeten gebrauchen, der über Verbindungen zu Teheran verfügt. Wenn Russland sich in der Pflicht sähe, wäre schon etwas erreicht.

 

Aus der FTD vom 04.03.2009