Obamas Qual der Ortswahl

 

von Benjamin Dierks

 

Der US-Präsident will in den kommenden Monaten die große Versöhnungsrede in einem muslimischen Land halten. Vieles spricht dafür, eine Stadt fern der arabischen Welt zu bevorzugen.

 

Kaum hatte Barack Obama angekündigt, eine Rede in einer wichtigen muslimischen Stadt halten zu wollen, da begann manch einer schon zu träumen vom Besuch des großen Mannes. Rafaat Othman etwa, Professor an der Al-Ashar-Universität in Kairo, kann sich keinen passenderen Ort vorstellen als die Moschee der eigenen Lehranstalt. Schließlich gehören Uni und Moschee zu den ältesten und renommiertesten Institutionen des sunnitischen Islam. Und immer wieder verurteilen die Religionsgelehrten hier Terrorakte religiöser Fundamentalisten.

 

Othman aber wird enttäuscht werden. Allein in der Ortswahl der Obama-Rede liegt so viel Symbolik, dass seine Berater zweimal hinsehen werden, wenn sie eine passende Umgebung aussuchen. Dabei wird ihnen auffallen, dass an der Ashar ein gewisser Isaddin al-Kassam studierte, ein Terrorist früher Stunde, der in den 30er-Jahren im britischen Mandatsgebiet Palästina Jagd auf jüdische Siedler machte. Heute tragen die Kassam-Raketen seinen Namen, mit denen die radikalislamische Hamas den Krieg im Gazastreifen provozierte. Auch Ahmed Jassin, der spätere Hamas-Gründer, drückte hier den Gebetsteppich. Keine gute Wahl also.

 

Viele kleine Stolpersteine

 

Das kleine Beispiel zeigt, in welchem Dilemma das Obama-Team bei der Vorbereitung der Rede steckt, die schon als historisch gilt, bevor sie gehalten ist. Die geplante Respektsbekundung für die muslimische Welt ist ein großer Zug, am Boden aber lauern viele kleine Hindernisse. Um bei Ägypten zu bleiben: Vieles spricht für einen Auftritt im größten arabischen Land. Kairo unterhält als eine von wenigen Regierungen in der Region volle diplomatische Beziehungen mit Israel und ist einer der wichtigsten Verbündeten der USA. Sowohl im Konflikt zwischen Israel und Hamas als auch in dem zwischen Hamas und der mit ihr rivalisierenden Fatah haben die Ägypter sich als Vermittler hervorgetan.

 

Diese Haltung Ägyptens ist unterstützenswert. Nicht ohne Grund gilt das Land unter Beobachtern in Washington als einer der Favoriten für Obamas Auftritt. Innenpolitisch sieht es allerdings anders aus: Ein symbolträchtiger Besuch beim ägyptischen Diktator Hosni Mubarak eignet sich nicht, um ein Signal des Aufbruchs zu senden. Es klänge wie Hohn, würde Obama Respekt für Menschenrechte und Demokratie fordern und dabei an Mubaraks Seite stehen. Auf dieses Problem freilich stieße der US-Präsident in den meisten arabischen Ländern.

 

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Obamas Team hat im Wahlkampf und zur Amtseinführung neue Maßstäbe gesetzt. Bei allen politischen Erwägungen werden seine PR-Fachleute ausgerechnet bei dieser Rede die Kulisse nicht vernachlässigen. Jubelnde Massen vor dem Rednerpult kann Obama trotz aller Hoffnung, die auf ihm ruht, nicht als gegeben erachten. Zumindest Gegendemonstrationen wären ihm in vielen Ländern sicher, auch in Ägypten.Grundlegende Positionen wie die Haltung zu Israel wird Obama aus gutem Grund nicht ändern. Eine Desillusionierung für viele ist unausweichlich.

 

Kurz- oder mittelfristig gibt es zudem einige Gründe, die eine Rede in eigentlich naheliegenden Ländern ausschließen. Nicht nur mit dem Auftritt von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in Davos hat etwa die Türkei - Nato-Partner und wichtiger Verbündeter - eine unpassende Nähe zur Hamas hergestellt. Im Irak und in Afghanistan träte er noch immer als Besatzer auf, Pakistan ist zu stark mit Afghanistan verwoben.

 

Immer wieder tauchen die Namen kleiner Golfstaaten und nordafrikanischer Länder auf. Katar sticht durch den Versuch eines eigenen außenpolitischen Kurses hervor. Indem Hamas-Führer Chalid Maschal sich für die Haltung des Landes im Gazakrieg bedankte, disqualifizierte es sich sofort wieder. Zudem würde Obama damit Saudi-Arabien vor den Kopf stoßen, das als einer der repressivsten Staaten selbst nicht infrage kommt. Ein Auftritt in Oman oder Marokko würde die Bedeutung der Aktion schmälern. Es muss ein politisch bedeutendes Land sein, in dem Obama spricht. Und es muss selbst Aufmerksamkeit verdienen. Damit wird es eng.

 

Mut zur Abseitigkeit

 

In Washington wird immer wieder eine Alternative genannt, die Obama auch persönlich naheläge: Indonesien. Hier hat er Jahre seiner Kindheit verbracht, was ihm in der muslimischen Welt viel Zuspruch verschaffte. Doch damit würde Obama die Araber vor den Kopf stoßen und sein Engagement in der Region relativieren, mahnt mancher. Südostasien sei die apolitische Alternative. Aber ist es das wirklich?

 

Bei allen innenpolitischen Vorbehalten: Mit einem Auftritt in dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung würde Obama zeigen, dass die muslimische Welt weit über Nordafrika und die arabische Halbinsel hinausgeht. Die arabischen Länder, könnte die Botschaft sein, haben keinen unangefochtenen Führungsanspruch für die muslimische Welt. Obama zeigt viel Entgegenkommen, räumte Fehler der Amerikaner ein. Nun kann er signalisieren, dass auch die arabische Welt in der Bringschuld steht. Und jubelnde Massen wären ihm in Jakarta sicher.