Barack Obama liegt dank der Finanzkrise im Rennen ums Weiße Haus wieder
vorn. Seine distanzierte Art ist plötzlich seine größte Stärke.
Wer zu Beginn des Wahlkampfs gesagt hätte, Barack Obama stehe Anfang
Oktober als der bessere Krisenmanager da, wäre wohl ausgelacht worden. Nach dem
Krieg in Georgien schien die Wahl für den Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten
sogar schon verloren. Die Reden vom Wandel, das ständige "Yes, we can!"
- all das war nicht mehr gefragt. Der ehemalige Marinepilot und jetzige
republikanische Kandidat John McCain war mit seiner langen politischen
Erfahrung klar im Vorteil. Prompt übernahm er die Führung in den Umfragen.
Seit ein paar Wochen ist es damit vorbei. Eine historische Finanzkrise
schüttelt die Welt durch, am stärksten die USA. Und plötzlich ist das ruhige, teils
professorale Auftreten Obamas beim Wähler gefragt. "Mr Cool", wie ihn
das US-Magazin "Newsweek" nannte, ist wieder im Rennen. Keine Rede
mehr davon, dass er zu distanziert, zu kühl und zu abgehoben sei. Obamas
Schwäche ist seine neue Stärke geworden. Auch bei der zweiten Fernsehdebatte
mit McCain wurde dieser Wandel sichtbar.
Dabei hat der Senator aus Illinois sein Verhalten eigentlich gar nicht
geändert. Es sind die Bedürfnisse der Wähler, die sich verändert haben. Sie
möchten an die Hand genommen und durch die Krise geführt werden. Anders als "Mr
Hot" McCain verfährt Obama nicht nach dem Motto "Vorwärts, egal wohin!".
In den Debatten um Rettungspakete und schärfere Aufsicht hielt er sich mit
markigen Thesen zurück und musste dann auch nicht ständig den Rückzug antreten.
Obama wirkt schlicht gelassener und besonnener. Wenn Panik herrscht, ist
das gefragt. Welcher Kandidat am Ende wirklich der bessere Krisenmanager wäre, ist
damit natürlich nicht geklärt. Die Wähler haben aber offenbar entschieden, wer
ihn am ehesten verkörpert.
Aus der FTD vom 09.10.2008